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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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allein zu schaffen.«
    Beale stand auf, als eine elegant gekleidete Frau mittleren Alters durch die Schwingtür trat. »Ms. Tutting?« Er bot ihr die Hand, als sie nickte. »Inspector Nick Beale, Kriminalpolizei. Ich
weiß, Sie möchten gern schnell zu Ihrem Vater, aber darf ich Sie vorher um fünf Minuten Ihrer Zeit bitten? Die Schwester hat mir ein kleines Büro am anderen Ende des Korridors zur Verfügung gestellt.« Er lächelte entschuldigend. »Es ist wirklich wichtig, Madam, sonst würde ich Ihnen das nicht zumuten.«
    Sie war eine sehr ansehnliche Frau, das dunkle Haar gepflegt, das Gesicht dezent geschminkt, aber an ihren Mundwinkeln zogen sich zwei tiefe Furchen abwärts, die vermuten ließen, dass sie häufiger sorgenvoll als fröhlich ins Leben blickte. Auch jetzt lächelte sie nicht. »Woher soll ich wissen, dass Sie der sind, für den Sie sich ausgeben? Sie können weiß Gott wer sein.«
    Beale zeigte seinen Dienstausweis. »Hinten in dem Büro ist ein Telefon. Da können Sie sich vergewissern.«
    Desinteressiert gab sie den Ausweis zurück. »Ich habe Ihren Kollegen schon alles gesagt, was ich weiß. Was sollen da noch mal fünf Minuten bringen?«
    »Darüber würde ich mich lieber ungestört mit Ihnen unterhalten, Ms. Tutting. Es haben sich einige Fragen ergeben, die ein wenig heikel sind.«
    Sie runzelte unwillig die Stirn, ließ sich aber von ihm durch den Korridor führen. »Sie sollten nicht alles glauben, was mein Vater sagt. Vor ein paar Wochen hat er den Namen meiner Mutter vergessen - behauptete steif und fest, sie hätte Ella geheißen, aber das ist der Name einer meiner Schwägerinnen. Am nächsten Tag fiel ihm Mutters Name wieder ein, aber vorher war er unbelehrbar. Er lässt sich nicht gern sagen, dass er unrecht hat.«
    Beale schloss die Bürotür und zog ihr einen Stuhl heraus. »Hatte Ella ihn vielleicht an dem Tag besucht?«
    »Wohl kaum. Sie und mein Bruder leben in Australien.«
    Beale lächelte teilnahmsvoll und setzte sich auf den anderen Stuhl. »Und Ihr anderer Bruder? Wohnt der mehr in der Nähe?«
    »In Manchester - aber es könnte genauso gut Australien
sein. Mein Vater hat ihn seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Am Sonntag war er mal schnell hier, aber auch nur, weil er wissen wollte, was mit dem Haus passiert. Sich zu Vater zu setzen, fiel ihm gar nicht ein.« Sie spielte mit dem Schloss ihrer Handtasche. »Er hat behauptet, er hätte keine Zeit, weil er um sieben wieder in Manchester sein müsse.«
    »Und hat wie immer Ihnen die ganze Verantwortung überlassen?«
    Amy Tutting nickte.
    »Das ist sicher nicht leicht, schon gar nicht, wenn man vierzig Stunden die Woche arbeitet und auch gern sein eigenes Leben führen würde. Wissen Ihre Brüder denn, wie schwierig es ist, Ihren Vater einigermaßen unter Aufsicht zu halten, damit er keine Unvorsichtigkeiten begeht?«
    Amy Tutting war nicht dumm. Sie sah Beale argwöhnisch an. »Was hat mein Vater Ihnen erzählt?«
    Beale zögerte. »Es geht mehr darum, was er nicht erzählt hat, Ms. Tutting. Er scheint in ständiger Angst zu sein, die sich in der Wiederholung von drei kurzen Sätzen äußert: ›Nicht die Tür aufmachen... Nichts Amy sagen... War ein dummer alter Kerl.‹« Er faltete die Hände auf dem Tisch und sah Amy Tutting an. »Wir vermuten, dass Sie die Person sind, vor der er Angst hat.«
    Die Mundwinkel rutschten abwärts. »Nur weil ich ihm gesagt habe, dass ich ihn in ein Pflegeheim einweisen lasse. Ich kann nicht mehr. Er ist mit den Gemeindesteuern im Rückstand und sitzt auf den unbezahlten Heizungsrechnungen für das ganze letzte Vierteljahr.« Sie holte zitternd Luft. »Er erwartet, dass ich alle diese Kosten übernehme, aber ich sehe nicht ein, warum.«
    Beale gab ihr recht. »Bezieht er eine Rente?«
    »Und dazu eine Betriebsrente, aber er weigert sich, mir zu sagen, wie viel das ist. Er hat vierzig Jahre in einer Druckerei gearbeitet, da ist das bestimmt kein Pappenstiel.« Sie sah ärgerlich aus. »Seine Papiere sperrt er weg, damit ich mir keinen Einblick verschaffen kann - aber das Geld reicht nie, um die Rechnungen
zu bezahlen. Ich wollte ihn überreden, mir eine Vollmacht zu geben, aber er sagt immer nur -« Sie brach abrupt ab.
    Beale sagte nichts, er zählte darauf, dass sie aus ihrer Irritation heraus von selbst weitersprechen würde.
    »Es ist absurd. Ich kann nur dann die Verwaltung seines Vermögens übernehmen, wenn ich ihn über das Vormundsschaftsgericht für geschäftsunfähig erklären

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