Der Schatten des Chamaeleons
sich Raubüberfälle dieser Art gehäuft im südlichen London.
Die Polizei warnt davor, Handys unnötig zur Schau zu stellen. Ein Sprecher sagte: »Wenn Sie ein Handy offen in der Hand herumtragen, braucht ein Dieb nur zuzugreifen. Es wirkt wie eine Einladung.«
Die Täter im Fall Abimbola werden folgendermaßen beschrieben: ein junger Mann, Hautfarbe weiß, schlank, ungefähr 1,72 m groß, mit blondem oder rotblondem Haar, und eine junge Frau, ebenfalls Hautfarbe weiß, ungefähr 1,60 m groß, mit dunklem Haar. Beide trugen Kapuzenjacken und Stiefel im Doc-Martens-Stil.
Acht Wochen später
7
Dr. Willis hatte richtig vermutet. Als Acland Ende Juni erfuhr, dass sein Antrag auf Rückkehr in den aktiven Dienst endgültig abgelehnt war, wollte er darüber am allerwenigsten mit dem Psychiater sprechen. Bestimmt würde er von ihm als Erstes zu hören bekommen: »Ich hab’s Ihnen ja gesagt.«
Es war nicht zu leugnen, dass die meisten von Willis’ Prognosen sich als richtig erwiesen hatten. Acland konnte sich nur noch wundern, dass er so naiv gewesen war zu glauben, in einer modernen Kampftruppe wäre Platz für einen Invaliden.
Der Befund der medizinischen Kommission war niederschmetternd. Soviel Anerkennung Lieutenant Charles D. B. Aclands ausdrücklicher Wunsch, in den aktiven Dienst zurückzukehren, verdiene, sein Ehrgeiz sei mit seinen schweren Behinderungen nicht vereinbar. Die einseitige Blindheit würde ihn im Einsatz zu einer Belastung machen, der Tinnitus und die Migräneanfälle, die sich zunehmend häuften, würden seine Entscheidungskompetenz stark beeinträchtigen. Erste Pflicht der Kommission sei es, die Sicherheit aller Bediensteten im Auge zu behalten, und nach Meinung der Gutachter werde Lieutenant Acland, wenn ihm die Rückkehr auf seinen Posten an der Front gestattet würde, für die anderen eine Gefahr sein.
Das Ausscheiden aus seinem Regiment schwieg Acland tot, auch vor sich selbst. Er wurde mit der Enttäuschung nicht fertig, lehnte alle Vorschläge, einen Büroposten anzunehmen, ab
und stieß jeden, der ihm helfen wollte, mit eisiger Kälte zurück. Er redete sich ein, er sei nur noch eine peinliche Last - einer, der sich an die Truppe klammerte, aber ihr längst nicht mehr angehörte -, und als er am Tag seines Ausscheidens seine Sachen packte, wusste er, dass er keinen seiner Kameraden je wiedersehen würde. Ohne Abschied und Lebwohl trat er aus dem Kasernentor, ein einsamer und verbitterter Mann mit schrecklichen Ängsten vor der Zukunft.
Nach allem, was er Robert Willis über seinen Aufenthalt bei Susan Campbell gesagt hatte - »in London sind mir viel zu viele Menschen... und sie gaffen alle wie die Idioten...« -, mochte seine Entscheidung, sich dort niederzulassen, merkwürdig erscheinen. Aber er wusste, dass er hier, in der Großstadt, trotz seines auffallenden Äußeren, anonym bleiben konnte. Die Leute würden ihn vielleicht anstarren, aber er würde bei Weitem nicht die gleiche Aufmerksamkeit erregen wie in einem kleineren Ort. Klatsch und Neugier im Dorf seiner Eltern hätten ihn wahnsinnig gemacht. Er wollte sich nur verkriechen, um ohne Einmischung und Druck von außen neu über sein Leben nachzudenken.
Ohne Angehörige, die finanziell auf ihn angewiesen waren, und mit Geld auf der Bank - dem Gehalt, das ihm während des Krankenhausaufenthalts weiterbezahlt worden war, und der Entschädigung vom Verteidigungsministerium für die im Fronteinsatz erlittenen Verwundungen - bestand für Acland keine Notwendigkeit, sich Arbeit zu suchen. Vielmehr mietete er für sechs Monate eine Erdgeschosswohnung in Waterloo und führte ein Leben wie ein armer Schlucker, indem er am Essen sparte und sich höchstens ab und zu ein Bier in einem Pub leistete.
Tagsüber lief er stundenlang und erklärte jedem, der ein Gespräch mit ihm anfangen wollte, er trainiere für den Londoner Marathon, bei dem Spenden für kriegsversehrte ehemalige Soldaten gesammelt werden sollten. Manchmal glaubte er sogar selbst, dass die Übung einem wohltätigen Zweck diente und
nicht dem Ziel, sein Hirn lahmzulegen und sich den Rest der Menschheit vom Leib zu halten. Immer häufiger mied er den Blickkontakt zu anderen, ängstlicher Rückzug war ihm lieber als gutgemeintes Interesse an seiner Person.
Er entwickelte einen beinahe körperlichen Abscheu gegen arabisch oder muslimisch gekleidete Menschen. Willis hatte ihn nicht auf den Hass vorbereitet, der in ihn fuhr. Und nicht auf die Angst. Sein Herz begann zu rasen,
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