Der Schatten des Chamaeleons
zufrieden. Nach dem Falklandkrieg
war alles nur noch öde.« Chalky seufzte. »Ich hätte Soldat bleiben sollen. Der Krieg hat’s gebracht.«
Jackson warf durch den Rückspiegel einen Blick auf Aclands Gesicht, aber dem war nicht anzusehen, was er dachte. »Welchen Rang hatten Sie?«
»Kurz bevor wir in den Süd-Atlantik verlegt wurden, haben sie mich zum Corporal befördert. Mann, das war die schönste Zeit meines Lebens - seitdem ging’s nur noch bergab.«
Diesmal zeigte Acland Interesse. »Welches Regiment?«
»2 Para.«
»Welche Kompanie?«
»B.«
»Dann waren Sie beim Angriff auf Goose Green dabei?«
Chalky hob einen schmutzigen Daumen. »Genau. Wir haben Boca Hill genommen. Ich habe dort einen guten Kumpel verloren.« Mit plötzlicher Wehmut schüttelte er den Kopf. »Wir haben uns damals zusammen gemeldet, und jetzt kann ich mich kaum noch erinnern, wie er aussah... Macht einen schon nachdenklich, was?«
Acland sah zum Fenster hinaus, als Jackson auf die Waterloo-Brücke fuhr. Der Fluss war nur bei Nacht schön, wenn die Lichter an den Ufern wie Diamanten auf schwarzem Samt funkelten und der von Bogenlampen beleuchtete Westminster-Palast mehr wie ein Märchenschloss aussah als wie ein Regierungssitz. Bei Tag, wenn auf den Brücken und an den Ufern alles voller Menschen und Autos war, konnte er keinen Funken Schönheit darin erkennen. »Und wie kann es passieren, dass ein Corporal vom 2 Para in der Gosse landet und Spiritus säuft?«, fragte er barsch.
Überraschenderweise nahm Chalky keinen Anstoß an der Bemerkung. »Das Zeug trinke ich nie«, sagte er, als wäre das etwas, worauf er stolz sein konnte. »Ich mag nur klaren Schnaps. Der hält einem für ein paar Stunden die Langeweile vom Leib.« Er kratzte sich unter seinem Bart.
»Das ist keine Antwort. Sie hätten es nicht zum Corporal geschafft, wenn Sie nicht das Zeug dazu gehabt hätten. Wo ist der Mann von damals geblieben?«
Chalky zuckte mit den Schultern. »Gute Frage, mein Junge. Vielleicht ist er auf den Falklandinseln verloren gegangen.«
14
Der Krankenwagen war schon da, als Jackson von der Lambeth Palace Road in die Einfahrt zur Notaufnahme einbog. Alle Parkplätze waren besetzt. Durch den Spiegel sah sie Acland an und fragte, ob er einen gültigen Führerschein besitze.
Er nickte. »Bis jetzt hat ihn keiner zurückverlangt.«
Sie hielt an und öffnete ihre Tür. »Hinten ist ein Personalparkplatz. Fahren Sie bis zum Haupteingang und folgen Sie einfach den Hinweisschildern. Ich will nur schnell die Sachen des Jungen durchsehen - vielleicht kann ich feststellen, wer er ist. Wenn jemand was von Ihnen will, zeigen Sie einfach das hier.« Sie wies auf einen Notarzt-Ausweis auf ihrem Armaturenbrett. »Und sagen, sie sollen Trevor Monaghan anpiepsen oder mich unter dieser Nummer anrufen.« Sie nahm eine Karte aus ihrer Jackentasche und reichte sie ihm nach hinten.
»Aber schauen Sie ja nicht meine Sachen durch«, sagte Chalky barsch. »Der schwarze Rucksack gehört dem Jungen. Alles andere ist meins - und persönlich.«
Jackson kroch hinter dem Lenkrad hervor. »Keine Sorge«, versetzte sie sarkastisch. »Plastiktüten voller Müll sehe ich aus Prinzip nicht durch.«
Sie öffnete die Tür neben Acland und gab ihm die Schlüssel. »Sie sind sehr vertrauensselig«, sagte er, als er ausstieg.
»Warum nicht? Sie haben doch nicht vor, einen BMW zu stehlen, oder?«
Er wartete, während sie den Kofferraum öffnete und schnell Bens Rucksack durchsuchte. »Ich bin nicht mehr gefahren, seit ich das Auge verloren habe.«
»Und? Sie sehen gut genug, um über hohe Gitter zu klettern.« An der Innenseite der Klappe war ein Aufkleber: B. Russell stand darauf und eine Adresse in Wolverhampton. Sie riss ihn ab. »Ich nehme jetzt erst mal das da mit, aber würden Sie die Sachen genau durchsehen, wenn Sie einen Parkplatz gefunden haben? Wir brauchen eine Anschrift, den Nachnamen und die nächsten Angehörigen.«
»Wäre das nicht Sache des Krankenhauses?«
»So geht es schneller.« Sie nahm ihre Arzttasche heraus und schlug den Deckel des Kofferraums zu. »Bringen Sie den Rucksack zum Empfang, wenn Sie fertig sind, und lassen Sie mich oder Dr. Monaghan rufen.« Sie sah ihn einen Moment an. »Und lassen Sie Chalky nicht allein im Wagen. Ich möchte gern, dass alles noch ist, wie es war, wenn ich zurückkomme.«
Acland wollte ihr sagen, dass er genau wusste, was sie tat - dass sie ihm eine Verantwortung übertrug, um die er nicht gebeten hatte
Weitere Kostenlose Bücher