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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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Taschenlampe aus dem Handschuhfach, machte dann den Kofferraum auf und leerte vorn in der Ecke Bens Rucksack aus. Die Innenbeleuchtung war immerhin so hell, dass die einzelnen Gegenstände auszumachen waren, aber er brauchte die Taschenlampe, um Schriftliches entziffern zu können. Wie bei ähnlicher Gelegenheit Inspector Beale, verspürte er Verlegenheit, als er das rührende Häufchen Sachen des Jungen durchsah. Es waren mehr technische Geräte darunter, als Acland besaß - zwei Handys, eine Digitalkamera, ein BlackBerry und vier iPods -, aber weniger Kleidungsstücke. Acland vermutete, dass all die kleinen Geräte gestohlen waren - bei keinem funktionierten die Batterien -, aber er legte die Handys und den BlackBerry auf die Seite, für den Fall, dass etwas von Belang auf ihnen gespeichert war.
    Er fand mehrere Briefumschläge, alle an Ben Russell unter der Anschrift eines Drop-in-Center in Whitechapel adressiert. Die Briefe darin waren alle von einer Hannah geschrieben. Acland überflog sie. Ich hab solche Sehnsucht nach dir... Dad reibt sich die Hände, dass du weg bist... Er ist so ein sturer Idiot... erklärt mir dauernd, aus den Augen, aus dem Sinn... Deine Mutter tut mir leid... Ich habe sie in der Stadt gesehen, und sie hat echt traurig ausgeschaut... Der Briefkopf zeigte als Hannahs Adresse » Die Schwarze Hölle« an, aber die Umschläge waren alle in Wolverhampton abgestempelt.
    In einer der Rucksacktaschen entdeckte Acland das Foto eines kokett dreinschauenden jungen Mädchens mit glattem blondem Haar, stark geschminkten Augen und blassrosa gefärbten Lippen. Quer über das Bild zog sich eine in schnörkeliger Schrift mit Filzstift geschriebene Widmung - Love you, babe - vergiss nicht zu schreiben -, und auf der Rückseite stand die Adresse, 25 Melbury Gardens, WV6 0AA, vermutlich die, an die Ben seine Antworten schickte, aber sicher nicht die von Hannahs Zuhause. Der »sture Idiot« von Vater würde sicher auf Briefe aus London achten.

    Er packte alles wieder zusammen, schob Handys, BlackBerry, Briefe und Foto in die vordere Tasche und legte den Rucksack dann vor seine Füße auf den Boden. Er warf noch einen Blick auf die diversen Tüten, die Chalky gehörten, dann trat er vom Wagen weg und rief: »Sicher, dass außer dem Rucksack nichts hier drinnen von Ben ist? Ich erinnere mich, dass er mehr als den Rucksack mitgebracht hat.«
    »Sie reden doch nur Scheiß.«
    Acland musterte ihn einen Moment. »Wenn Sie noch mal behaupten, Soldat zu sein«, sagte er kalt, »schneide ich Ihnen die gottverdammte Kehle durch. Sie haben in Ihrem ganzen elenden Leben nicht ein Mal etwas getan, was Ihnen erlaubt, sich auf eine Stufe mit den Männern zu stellen, die ich geführt habe.«
    »So was lass ich mir von eingebildeten Lieutenants nicht bieten.« Es lag merklich mehr Aggressivität in Chalkys Ton, vielleicht eine Wirkung des Wodkas. »Wenn Sie seine Kohle suchen, die trägt er in einem Gürtel - genau wie ich. Wahrscheinlich haben längst die Schwestern sie einkassiert.«
    »Krankenschwestern bestehlen keine kleinen Jungen, Chalky, und ich auch nicht. Also, welche der Tüten gehört ihm? Ich sehe jede einzeln durch, wenn es sein muss.«
    »Scheiße!« Der Corporal sprang von der Mauer und kam zu ihm. »Ich bring Sie um, wenn Sie was von mir angerührt haben.« Drohend baute er sich vor Acland auf. »Die Londis-Tüte da mit dem Tabak und dem Schnaps - die gehört ihm. Das Zeug nützt ihm hier doch sowieso nichts. In dem verdammten Krankenhaus darf er ja weder rauchen noch trinken.«
    Acland zog die Londis-Tragtüte nach vorn und knüpfte die Henkel auf. Zweihundert Benson & Hedges und eine Flasche Whisky. »Wie ist er da rangekommen? Sie sagten, er wäre erst fünfzehn.«
    »Hat’s geklaut.«
    »Man kann nicht Alkohol und Zigarettenstangen vom Regal klauen.«

    »Okay, dann hat er eben dafür bezahlt - wahrscheinlich in einem Paki-Laden. Den Pakis ist es egal, wer das Zeug kauft, Hauptsache, es springt Kohle dabei raus.«
    »Woher soll er das Geld gehabt haben?«
    »Wahrscheinlich hat er irgendeiner reichen Tussi die Handtasche geklaut. Diese Weiber sind ja so blöd, dass es kracht.« Sein Ton war jetzt voller Verachtung. »Die labern draußen vor den Cafés mit ihren Freundinnen und merken erst, dass die Tasche weg ist, wenn sie zahlen wollen. Da braucht’s nur eine kleine Ablenkung - ein Kumpel, der so tut, als wär er ein Bettler -, und die Tussen starren alle ihn an, während man sich hinten ganz gemütlich

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