Der Schatten des Chamaeleons
-, aber sie war weg, ehe er den Mund aufmachen konnte. Doch irgendwie reizte ihn diese Herausforderung auch, selbst wenn er merkte und sich darüber ärgerte, wie leicht Jackson ihn manipulieren konnte.
»Können Sie die Kiste auch wirklich fahren?«, erkundigte sich Chalky argwöhnisch, als Acland sich hinter das Lenkrad setzte und den Kopf drehte, um das gesunde Auge auf die Schaltung zu richten. »Mir fällt auf, dass mich niemand gefragt hat, was ich davon halte.«
Acland stellte erleichtert fest, dass der Wagen Automatik hatte. »Wenn Sie sich nützlich machen wollen, dann helfen Sie mir gefälligst beim Manövrieren. Rufen Sie, wenn es links zu knapp wird.«
Letzten Endes hatte Acland es mehr dem Glück als Chalkys Hilfe zu verdanken, dass er sicher den Parkplatz erreichte.
Chalky schaute zwar gewissenhaft zum Fenster hinaus, bemerkte aber die Gefahren immer erst, wenn sie längst daran vorbei waren.
»Da hinten hätten Sie beinahe einen Pfosten gerammt«, bemerkte er denn auch hilfsbereit, als Acland den Motor ausschaltete.
»Danke für die Warnung.«
»Brauchte ich doch gar nicht. Sie sind prima allein zurechtgekommen.« Er zog eine Tabakdose aus seiner Jackentasche und streute Tabakfäserchen auf ein Paper. »Also, wie schaut’s aus?«
»Wir steigen beide aus, damit Sie Dr. Jacksons Auto nicht noch weiter verstänkern.«
»Wahnsinnsfrau«, stellte Chalky fest, während er das Paper zwischen den Fingern drehte. »Interessiert sich für Sie.«
»Sie ist lesbisch.«
Chalky prustete erheitert. »Ich weiß schon. Der Schnaps hat mir das Hirn noch nicht ganz ausgebrannt, junger Mann. Ich hab ein paar Lesbenfreundinnen unten in den Docklands - die kleben meistens zusammen, weil’s sicherer ist -, aber ab und zu trink ich was mit denen. Da kümmert sich eine um die andere … Ein paar Schizos sind auch darunter, aber auf die geben die anderen Acht.« Er hielt inne, um das Paper mit der Zunge zu befeuchten. »Genauso macht’s die Doktorin mit Ihnen.«
Acland stieg aus und ging um den Wagen herum, um Chalkys Tür zu öffnen. »Sie hat mich gebeten, im Rucksack des Jungen nachzuschauen, falls sie etwas übersehen hat.«
Chalky musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Das lassen Sie mich mal lieber machen, junger Mann. Der Junge mag’s so wenig wie ich, wenn Fremde in seinen Sachen wühlen. Glauben Sie vielleicht, ich hätt nicht gesehen, wie Sie vorhin die Tüten und den Rucksack beäugt haben?«
Acland achtete nicht auf seine Worte. »Ich soll nur schauen, ob ich etwas über Angehörige finde. Sie können mir ruhig dabei zusehen, wenn Sie wollen.«
Aber Chalky war mehr an einer kleinen Pause gelegen. »Ich rauch inzwischen hier gemütlich eine und nehm einen kleinen Schluck. Sie können mir ja nachher zeigen, was Sie gefunden haben.«
»Kommt nicht in Frage.« Acland schob dem anderen die Hand unter den Ellbogen und zog ihn hoch.
»He, von Ihnen lass ich mir gar nichts sagen.«
»Ich habe den höheren Rang.«
Chalky schüttelte ihn ab. »Aber nicht in meiner Welt«, widersprach er mit plötzlicher Aggressivität. »In meiner Welt steht jeder, der dieses Leben hier länger mitgemacht hat, über Ihnen - und da gehört auch der kleine Ben da drinnen dazu.«
Acland nahm sich eisern zusammen. »Legen Sie sich lieber nicht mit mir an, Corporal. Ich bin ein ganz gemeiner Hund, seit die Kameltreiber mir das Gesicht verschandelt haben.«
»So sehen Sie auch aus«, stimmte Chalky zu. »Typen wie Sie kenn ich - außen kaputt und innen kaputt.« Aus einer anderen Tasche zog er eine kleine Flasche Wodka. »Ich hab Glück gehabt«, erklärte er, als er davonging. »Eine Frau hat mir heute morgen einen Zehner geschenkt - meinte, ich erinnere sie an ihren Opa.«
Wenn Acland kurz daran gedacht hatte zu verschwinden, gab er den Gedanken spätestens in dem Moment auf, als er sah, wie Chalky sich auf die niedrige Begrenzungsmauer des Parkplatzes hockte und mit zitternden Händen die Wodkaflasche aufschraubte. Vielleicht lag es an der verzweifelten Gier, mit der der Corporal an der Wodkaflasche nuckelte, vielleicht an seinem Aussehen, das ihn weit älter erscheinen ließ, als er war, die Szene jedenfalls - die in ihrem gnadenlosen Realismus an Dickens erinnerte - prägte sich Acland unauslöschlich ein. Er konnte sich diesen Mann nicht als Soldaten vorstellen, der die Tapferkeit besaß, zwei Tage über die öden Hänge der Falklandinseln zu marschieren und dort zu kämpfen.
Er nahm Jacksons
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