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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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aber beschwören kann ich’s nicht. Er kam vor ungefähr einer halben Stunde völlig fertig hier an, hat gesagt, ihm wär schlecht und er hätte Bauchweh. Kurz danach ist er umgekippt.« Sie bogen um die Ecke, und er richtete den Strahl auf zwei Gestalten, die vor einer dunklen Türnische kauerten, die eine an die andere gelehnt. »Toll ist es nicht«, sagte er entschuldigend, »aber sicherer als The Strand. Da gibt’s echte Irre.«
    »Wie soll ich Sie nennen?«, fragte Jackson ihn.
    »Chalky.« Er schwenkte mit dem Lichtstrahl über einige Plastiktüten und Taschen an der Mauer, als wollte er sich vergewissern, dass sie noch da waren, dann gab er Jackson die Lampe zurück. »Der Lieutenant wollte gerade Hilfe holen, als Sie aufgekreuzt sind. Er sagt, Sie sind Ärztin.«
    »Stimmt.«
    »Schauen Sie sich dann den Jungen mal an? Ich bin sicher, der macht’s nicht mehr lange, wenn keiner was tut.«
    »Natürlich. Wie heißt er?«
    »Ben. Seinen Nachnamen weiß ich nicht.«
    Sie ging weiter und leuchtete Acland mit der Lampe ins Gesicht. »Sie hätten mir ruhig über dieses Gitter helfen können«, sagte sie mit mildem Tadel und kniete neben der anderen Gestalt nieder. »Mit einer Speerspitze im Hintern hätte ich Ihnen gar nichts genützt.« Sie richtete den Lampenstrahl auf das graue, leblose Gesicht des Jungen.
    »Ich dachte, Sie würden nicht reinkommen, wenn ich rausklettere.«
    »Wieso nicht?« Sie schob die Lider des Jungen zurück und leuchtete ihm in die Augen, die nicht reagierten.
    »Ich weiß ja nicht mal, weshalb Sie eigentlich hier sind. Gestern haben Sie mir noch erzählt, Sie arbeiteten für die Polizei.«
    »Ich bin Ärztin. Ich treibe keine Zeugen für die Polizei zusammen.« Jackson beugte sich vor, um den Atem des bewusstlosen
Jungen riechen zu können. »Wie lange riecht er schon nach Aceton?«
    »Die ganze Zeit schon. Als er noch wach war, war der Geruch sogar noch stärker.«
    »Haben Sie versucht, ihn anzusprechen? Hat er reagiert?«
    »Nein. Er ist schon die ganze Zeit so, seit dem Moment, als er das Bewusstsein verlor.«
    Sie richtete die Lampe auf den Hals des Jungen, wo sich entzündete Hautstellen von der aschfahlen Blässe abhoben. »Wie lange kennen Sie ihn, Chalky?«
    »Vielleicht einen Monat. Der Kleine ist ein hübscher Kerl, da waren die Schwuchteln natürlich gleich hinter ihm her. Ich hab mich ein bisschen um ihn gekümmert, weil ich für solchen Quatsch nichts übrig habe. Nur weil so ein Kleiner von zu Hause abhaut, muss man ihn ja nicht diesem schwulen Gesocks überlassen.«
    »Richtig. Hat er über Durst geklagt?«
    »Ich habe ihn’ne Weile nicht gesehen.«
    »Pinkelt er viel?«
    »Wo’s ihm gefällt.«
    »Wie alt ist er?«
    »Achtzehn, hat er gesagt - aber wenn Sie mich fragen, ist fünfzehn näher an der Wahrheit. Was fehlt ihm?«
    »Die Symptome deuten auf ein diabetisches Koma hin, das durch eine starke Zunahme chemischer Gifte in seinem Blut ausgelöst wurde.« Sie nahm ihr Handy heraus, blätterte ihr Menü durch und tippte eine Nummer ein. »Ja - Trevor Monaghan, bitte - Dr. Jackson - Es ist ein Notfall. Ja, danke.« Sie sah Chalky an. »Gehen Sie zum Gitter zurück und rufen Sie, wenn Sie den Krankenwagen sehen. Und Sie «, wandte sie sich an Acland, während sie ihre Wagenschlüssel aus ihrer Gesäßtasche zog, »laufen zu meinem Wagen und holen mir meine Tasche aus dem Kofferraum. Es ist ein schwarzer BMW. Er steht gleich hier um die Ecke.« Sie drückte ihm die Schlüssel in die Hand. »Trevor?
Haben Sie Dienst? Ich brauche Sie, warten Sie auf mich in der Notaufnahme. Ich habe hier einen schwerkranken Jungen. Tiefes diabetisches Koma - erste Diagnose, ketoazidotischer Schock infolge unbehandelten Typ-1. Können Sie einen Krankenwagen schicken? Ja - absolute Priorität. Ecke Caroline und Russell Street in Covent Garden. Und wir brauchen die Feuerwehr - ohne Leitern kommt man hier nicht heraus.«
     
    »Muss er sterben?«, fragte Chalky zwanzig Minuten später, als die Sanitäter die Trage in den Krankenwagen schoben. Er war beeindruckt, wie schnell alles gegangen war. Sekunden nachdem er Jackson zugerufen hatte, dass der Krankenwagen da sei, waren auch schon die Feuerwehrleute zur Stelle. »Da muss man ganz schön krank sein, wenn man so viele Leute auf die Beine bringt.«
    Jackson schrieb mit Aclands Rücken als Unterlage eine Nachricht für den Krankenhausarzt. »Er ist schwerkrank, Chalky. Jugenddiabetes ist eine ernste Krankheit, und das Leben auf der Straße

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