Der Schatten des Chamaeleons
dafür, dass er ihn bekommt? Gut, danke.« Sie wählte neu. »Etwas Neues für Dr. Jackson? Dr. Patel hat es übernommen? Danken Sie ihm. Nein, ich bin noch im Krankenhaus, aber fast fertig. In spätestens zehn Minuten. Ich kann aber schon in zwei hier weg sein, wenn’s sein muss. Danke. Tschüs.«
Vor einem Büro blieb sie stehen und tippte einen Code ein, ehe sie die Tür öffnete und Acland ins Zimmer bat. Sie reichte ihm vom Schreibtisch ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber. »Schreiben Sie in Blockschrift ›Ben Russell‹ drauf und legen Sie es zu dem Rucksack«, befahl sie ihm, während sie ihre Tasche holte, die hinter der Tür stand. »Okay, dann wollen wir mal sehen, was wir tun können.« Sie packte das Cellboost-Gerät aus.
»Warum stecken Sie die SIM-Karte nicht in Ihr eigenes Nokia, um sie zu lesen?«, fragte er.
»Ich habe Bereitschaftsdienst.« Sie schloss das Ladegerät an das Handy an und schob eine massige Gesäßbacke auf die Schreibtischkante, während sie wartete. »Um diese Zeit ist es im Allgemeinen ruhig. Die hektischen Zeiten sind in den Stunden vor Mitternacht und nach drei Uhr morgens.«
»Und wie kommt das?«
»Menschliche Natur und Blutzuckerspiegel. Eltern sehen noch einmal nach den Kindern, bevor sie selbst zu Bett gehen... Erwachsene ängstigen sich oft in den Stunden vor dem Morgengrauen, wenn unsere Körperfunktionen auf einem niedrigen Level sind, und viele Menschen sterben um diese Zeit.«
Acland stellte den Rucksack mit dem Namensschild darauf in die Ecke. »Ich fände das furchtbar.«
»Was?«
»Jemanden tot im Bett zu finden.«
»Dann nehmen Sie keine Arbeit im Krankenhaus oder in einem Pflegeheim an, da würde Ihnen das täglich passieren.« Jackson krümmte eine Hand um das Handy, um den Batteriestand erkennen zu können. »Heutzutage stirbt ja kaum noch jemand zu Hause, obwohl die meisten von uns lieber in ihrem eigenen Bett einschlafen würden anstatt an Schläuche angeschlossen in einer sterilen Umgebung unter Fremden.«
»Vielleicht sollten Ärzte nicht so eifrig bemüht sein, die Leute am Leben zu halten.« Sein Ton war grimmig.
Jackson betrachtete ihn einen Moment. »Gilt das für alle? Wollen Sie sagen, wir hätten Ben da in diesem Hinterhof sterben lassen sollen, weil es uns ein Vermögen kosten wird, ihn lebenslang mit Insulin zu versorgen?«
»Nein.«
»Für wen gilt es dann? Für Sie?« Sie entfernte das Cellboost aus dem Handy und schaltete es ein. »Wenn Sie jemanden suchen, dem Sie die Schuld daran geben können, dass Sie noch am Leben sind, dann machen Sie Ihren Kameraden den Vorwurf. Sie hätten Sie in der Wüste liegen lassen und den Ärzten die Zeit und die Mühe ersparen können, Sie wieder zusammenzuflicken. Von einem ruhigen Abendessen ganz zu schweigen, das ich mir vielleicht hätte genehmigen können, wenn Sie und Chalky den Jungen da oben nicht unbedingt hätten retten wollen.«
»Tut mir leid.«
»Angenommen - und Sie haben recht, gesperrte SIM-Karte.« Sie drückte ihm wieder den Kugelschreiber in die Hand. »Die IMEI-Nummer müsste sich unter der SIM-Karte befinden.« Sie öffnete das Gehäuse und nahm das Plastikkärtchen, von dem sie laut eine Reihe von Ziffern vorlas. »Haben Sie das?«
Acland nickte. »Woher können Sie das?«
»Ein Polizist hat es mir gezeigt.« Sie ging zum Schreibtischstuhl und schaltete den Computer ein. »Okay, was ich jetzt gleich mache, ist rechtswidrig, wenn Sie also nichts damit zu tun haben wollen, warten Sie am besten draußen im Flur.«
»Und was machen Sie gleich?«
»Ich werde mich als Eigentümerin dieses Telefons ausgeben, um an den Mastercode heranzukommen.« Sie tippte eine Webadresse ein, hielt ihm dann die Hand hin, um sich von ihm den Zettel mit der IMEI-Nummer geben zu lassen.
»Ich lese sie Ihnen vor.«
»Sie machen sich aber der Mithilfe beim Datenmissbrauch schuldig.«
Acland antwortete mit einem gleichgültigen Schulterzucken
und las die Nummer vor. »Wie kam der Polizist dazu, Ihnen so etwas beizubringen?«
»Daisy vergisst alle Sicherheitscodes - einschließlich den der Alarmanlage.« Jackson klickte die Maustaste und lehnte sich zurück, den Bildschirm im Blick. »Sie hat über englische Lyrik zur Zeit des Ersten Weltkriegs promoviert - kann fast alles von Rupert Brooke auswendig -, aber sie kann keine vierstellige Geheimzahl im Kopf behalten. Ich habe mittlerweile alle technischen Tricks für die Alarmanlage im Pub drauf. Denn wenn Daisy den falschen Code eingibt, geht
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