Der Schatten des Highlanders
keiner Frau stehen, die ihm wirklich etwas bedeutet hätte. Na immerhin, hatte sich Sunny nur gedacht.
Sie betrat den Aufzug gleichzeitig mit einem Ehepaar, das sich enorm in Schale geworfen hatte. Nachdem die beiden sie flüchtig und abschätzig gemustert hatten, würdigten sie Sunny keines Blickes mehr — Grund Nummer 357, sich niemals mit Robert Cameron einzulassen: Sie passte nun mal nicht in die Londoner High Society.
Sunny versuchte, sich mit erfreulicheren Dingen zu beschäftigen und lieber an die Wiesen der schottischen Highlands zu denken. Überrascht stellt sie fest, dass es tatsächlich half.
Im Erdgeschoss angekommen, verließ sie hinter dem Paar den Aufzug und durchquerte die Lobby. Sie bemerkte, wie die Frau Cameron einen langen Blick zuwarf, was dieser jedoch überhaupt nicht zu registrieren schien. Er stand gegen den Empfangstresen gelehnt da, die Arme über der Brust verschränkt, und hatte nur Augen für sie.
Das half ebenfalls.
Er sah genauso aus wie an jenem Morgen, als sie ihn am Waldrand hatte stehen sehen, wo er auf sie gewartet hatte — es fehlte nur noch, dass er sie mit dem Finger zu sich herwinkte, so wie damals. Sie holte tief Luft, um die Schmetterlinge in ihrem Bauch zu beruhigen, die dort eigentlich gar nichts zu suchen hatten, rief sich noch einmal ins Gedächtnis, dass er nun mal nicht ihr gehörte, und ging auf ihn zu.
»Guten Morgen, Sunshine«, sagte er mit einem zaghaften Lächeln. »Gut geschlafen?«
»Nein, schrecklich schlecht.«
Sein Lächeln verschwand. »Das tut mir leid.« Er stieß sich vom Tresen ab. »Aber wir werden sicher später irgendeine gemütliches Ecke finden, wo du in meinen Armen ein Nickerchen machen kannst. Wir nehmen einen von diesen Sightseeing-Bussen und suchen uns ein geeignetes Plätzchen.«
»Können wir uns denn einigermaßen unbeobachtet bewegen?«, war alles, was sie hervorbrachte.
Cameron nahm sie am Ellenbogen und führte sie zur Tür. »Das will doch ich hoffen. Schließlich will ich mir ein paar Küsse von dir ergaunern.«
Sie versuchte, ihm einen strengen Blick zuzuwerfen. »Hör auf damit!«
Wieder zeigte sich ein Lächeln auf Camerons Lippen, aber diesmal schien es noch mehr von Herzen zu kommen. Er zog sie mit sich durch die Eingangstür.
Draußen an einem Kiosk kaufte er Obst und Wasser für sie beide, dann blieben sie an einer Haltestelle der Sightseeing-Buslinie stehen und warteten. Ihr fiel auf, wie aufmerksam Cameron alles, was um sie herum vorging, zu beobachten schien. Wahrscheinlich hielt er nach Fotografen Ausschau. Vielleicht aber auch nach Penelope. Möglicherweise war es aber auch gar nicht er selbst, der die Aufmerksamkeit der Presse auf sich zog, sondern Penelope, die den Fotografen jedes Mal einen Wink gab, wenn sich eine Gelegenheit für einen Schnappschuss an Camerons Seite bot.
Aber Sunny merkte, dass sie das alles eigentlich gar nicht so genau wissen wollte.
»Hier kommt unser Bus, Sunny. Es geht los!«
Sie versuchte, sich wieder auf die Gegenwart zu konzentrieren, und stieg in den Bus. Ganz hinten im Oberdeck ließ sie sich auf einen Fensterplatz fallen. Cameron setzte sich neben sie und legte ihr seinen Rucksack auf den Schoß.
»Halt mal. Ich möchte die Hände frei haben.«
Sie sah ihn überrascht an. »Warum das denn?«
»Damit ich ein paar Fotos machen kann«, antwortete er, während er den Reißverschluss der Tasche aufzog. Er warf ihr einen gespielt empörten Blick zu. »An was hattest du denn gedacht? So eine Fleischeslust hätte ich dir als Vegetarierin gar nicht zugetraut!«
»Cameron! Sei still!«
Er lachte. Dann holte er die Kamera heraus und peilte Sunny an.
»Bitte lächeln, meine Liebe.«
Sie tat, was sie konnte. Cameron schürzte die Lippen, legte seinen Kopf an den ihren und machte ein Bild von ihnen beiden. Dann lehnte er sich zurück und strahlte sie an.
»Danke, dass du geblieben bist.«
»Danke, dass du mich darum gebeten hast«, gab sie leise zurück. Sie beobachtete, wie er die Kamera wieder in seiner Tasche verstaute, den Stadtplan auffaltete, den man ihnen in die Hand gedrückt hatte, und ihn zu studieren begann. »Das hätte ich nicht gedacht, dass du ein Faible für Touristenprogramme wie das hier hast«, sagte sie auf Gälisch. »Ich meine, immerhin bist du Schotte ...«
Cameron hob den Stadtplan hoch wie einen Schutzschild. Dann lehnte er sich zu Sunny herüber und küsste sie so zart, dass sie sich nicht anders zu wehren wusste, als ihre Augen zu
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