Der Schatten des Highlanders
doch weil er Sunshine auf die Probe stellen wollte, folgte er trotzdem ihren Richtungsangaben. Ein wenig überraschte es ihn dennoch, dass sie sich in der Gegend so gut auskannte.
»Erzählt mir noch einmal, weshalb wir nicht einfach bei Malcolm vorbeireiten und bei ihm anklopfen sollen?«
»Er würde mich nicht kennen.«
»Weil Ihr nicht aus dem Jahre des Herrn 1375 stammt.«
»Genau.«
Es lief ihm kalt den Rücken hinunter. Er bekreuzigte sich mehrmals, doch da Sunshine vor ihm saß, musste er es vor ihrem Körper tun, sodass es ihr wohl kaum verborgen blieb.
»Wollen Sie das Böse abwehren, mein Laird?«
Er grunzte zufrieden. »>Mein Laird< — so ist es recht! Endlich zollt mir das Mädchen hier den nötigen Respekt! Offenbar bedurfte es eines derart ungewöhnlichen Geschehnisses, um ihr diese Worte abzuringen. Ihr wisst wohl nicht, Sunshine, dass die meisten Menschen niederknien und um Gnade winseln, wenn ich sie nur streng ansehe. Ihr aber habt es mir gegenüber entschiedenen an Respekt fehlen lassen.«
Sie tätschelte ihm den Arm, den er um ihre Taille geschlungen hatte. »Eigentlich sind Sie ja auch gar nicht mein Laird.«
Cameron wurde klar, dass er es nur allzu gerne gewesen wäre. Einen kurzen Moment lang schloss er die Augen und betete, dass er nicht schwach würde. Er musste Gilly heiraten, und er musste die Kinder seines Bruders als seine eigenen aufziehen, denn wenn er es nicht tat, würde es Giric an seiner Stelle tun, und dann würde der Clan vor die Hunde gehen. Es würde ihn nicht weiter überraschen, wenn Gillys Kinder eines Nachts verschwanden und Giric mit Blut an den Händen auf die Burg zurückkehrte. Doch selbst wenn Cameron nicht dazu verdammt gewesen wäre, Gilly zu heiraten, konnte er keine MacLeod-Hexe zur Frau nehmen, ganz gleich wie verlockend dieser Gedanke ihm plötzlich auch erscheinen mochte. Sein Clan würde sie niemals akzeptieren, und er konnte ihr nicht zumuten, für den Rest ihres Lebens eine solche Schmach ertragen zu müssen.
Schließlich kamen sie an eine Stelle im Wald, wo Sunshine ihn bat, anzuhalten. Er sprang vom Pferd und streckte ihr die Arme entgegen. Als er sie absetzte, hielt er sie möglichst weit weg von sich. Er konnte sich gerade noch beherrschen, sie nicht an sich zu ziehen und einmal mehr zu küssen. Je weiter fort sie war, umso besser für das, was von seiner Selbstbeherrschung noch übrig war.
Sie sah ihn einen Augenblick lang an, dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
»Ich danke Ihnen.«
Sie war so schnell verschwunden, dass seine Hände ins Leere griffen, als er sie festhalten wollte. Statt dessen packte er mit der einen Hand die Zügel seines Pferdes und lockerte mit der anderen sein Schwert in der Scheide, das er am Rücken trug. Schließlich musste man jederzeit auf alles vorbereitet sein.
Er sah zu, wie Sunny sich an verschiedene Stellen im Wald begab, wunderte sich jedoch nicht, dass nichts weiter geschah.
Das Mädchen war hübsch, aber offenbar vollkommen verwirrt.
Einmal scheuchte sie ihn sogar fort, und er kam ihrer Bitte nach und zog sich ein Stück weit zurück. Er führte sein Pferd tiefer ins Dunkel des Waldes, legte dem Tier die Hand auf den Widerrist und wartete. Das Pferd gab keinen Laut von sich. Selbst Sunny war still, während sie, die Arme um ihren Leib geschlungen, mehrere Minuten lang einfach nur dastand.
Und dann hörte man das Knacken eines Zweiges, der unter dem Gewicht eines Stiefels zerbrach, und ein leises Fluchen. Cameron sah, wie ein ziemlich kräftiger Mann - Malcolm MacLeods Neffe Walter — aus dem Dickicht hervorkam und direkt hinter Sunny stehen blieb.
»Habt Ihr Euch verlaufen, mein Fräulein?«, fragte Walter höflich.
Überrascht wirbelte Sunny herum und wich ein paar Schritte zurück. »Ich fürchte, ja.«
Walter rieb sich die Hände. Es war nicht zu übersehen, was er im Schilde führte. »Ich könnte Euch schon dabei helfen, den richtigen Weg zu finden, Mädchen, und zwar den in mein Bett ...«
Cameron wartete nicht erst ab, ob noch andere Männer vom MacLeod-Clan in der Nähe herumlungerten, die ähnliche Absichten hegten. Mit einem Satz sprang er aus dem Gebüsch und stieß Sunny zur Seite, während er gleichzeitig sein Schwert mit einem metallischen Sirren aus der Scheide riss.
»Los, aufs Pferd!«, befahl er ihr barsch. Er hörte, wie sie losrannte, und wandte sich dann seinem Widersacher zu. »Ich suche keine Händel mit Euch«, sagte er
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