Der Schatten des Highlanders
vor.
»Armer Kleiner«, sagte Sunny und kauerte sich neben ihn hin. »Ist es sehr schlimm?«
»Furchtbar schlimm«, brachte er mühsam hervor. Er blickte sie düster an. »Sicher hast du nichts besonders Leckeres in dieser Kanne, Sunny, stimmts?«
Sie lächelte und legte ihm die Hand auf die Stirn. »Nein, das weißt du doch. Aber wenn du das alles trinkst, dann kriegst du von deiner Mom bald mal wieder was Süßes.«
Ian nickte zahm. Er trank allen Tee, den sie ihm einflößte, übergab sich noch einmal, dann setzte er sich auf und strich sich mit einer Geste übers Kinn, die so stark an seinen Vater erinnerte, dass Sunny fast aufgelacht hätte.
»Ich glaube, es geht mir schon besser«, gab er zu.
»Warte noch eine Stunde«, sagte Sunny und unterdrückte ein Lächeln. »Wenn du dich dann immer noch schwach fühlst, trink den Rest.« Sie sah zu Elizabeth hinüber. »Ich habe dir ein Säckchen Himbeerblätter unten hingelegt. Wenn er heute nichts außer dem Tee zu sich nimmt, erholt er sich schneller.«
Elizabeth griff nach ihrer Hand und drückte sie. »Vielen Dank, Sunny. Ich weiß gar nicht, was wir ohne dich täten.«
»Ach, Patrick hätte leicht herkommen und genau dasselbe bewirken können«, sagte Sunny abschätzig.
Elisabeth schnaubte verächtlich. »Ich liebe ihn heiß und innig, aber er kann nicht gut mit Kranken umgehen. Er würde Ian einfach sagen, er solle es wie ein Mann nehmen, dann würde er nach unten gehen und nachsehen, was der Kühlschrank so hergibt, bevor er nach Hause geht und seinen eigenen leer isst. Da bist du uns schon viel lieber.«
»Ich mache mich gern nützlich«, sagte Sunny zufrieden. »Ich werde morgen nochmal nach Ian sehen.« Sie stand auf, beugte sich über ihn und strich im übers Haar. »Trink deinen Tee, Kleiner.«
Er nickte dankbar. Sunny tauschte noch ein Lächeln mit Elizabeth, dann ging sie aus dem Schlafzimmer und verlangsamte ihre Schritte, als ihr wieder einfiel, dass ihr Heimweg durch den großen Saal unten führte.
Aber vermutlich war es trotzdem nicht klug, einfach aus dem Fenster zu springen und darauf zu hoffen, auf einem weichen Stück Gartenboden zu landen.
Sie atmete tief durch und ging die Treppe hinunter. Wenn Jamie künftig mit Cameron Geschäfte tätigen wollte, dann müsste sie sich sowieso daran gewöhnen, ihn zu sehen. Abgesehen davon machte sie vermutlich aus einer Mücke einen Elefanten. Sie hatte den Mann schließlich nur zwei Wochen gekannt. Es war gar nicht möglich, sich so schnell in jemand zu verlieben.
Oder etwa doch?
Nein, sagte sie sich, und blieb auf der untersten Stufe stehen. Von dort spähte sie in den großen Saal, um zu sehen, ob sich jemand, in den sie gar nicht verliebt sein konnte, noch immer dort aufhielt.
Jamie und Cameron saßen tatsächlich noch am Tisch und steckten die Köpfe über Unterlagen zusammen. Sie fasste die Eingangstür ins Auge und steuerte darauf zu.
»Ach, Sunshine«, sagte Jamie laut. »Komm her, wir würden gern deine Meinung hören.«
Mist, geschnappt. Sie atmete tief durch, dann drehte sie sich um und setzte ihr schönstes falsches Lächeln auf. Sie ging zum Tisch hinüber und hoffte, dass sie mit einem flüchtigen Blick auf die Dokumente davonkäme, aber es sah nicht danach aus. Als sie näherkam, stand Cameron auf und bot ihr seinen Stuhl an.
Sie konnte ihm nicht in die Augen blicken, als sie sich hinsetzte. Hätte sie ihn ansehen müssen, und er hätte sie wieder nicht erkannt, dann hätte sie nicht mehr an sich halten können. Sie zwang sich, Jamie zuzuhören. Er sprach vermutlich über das Gebäude, das die beiden zusammen im Dorf bauen wollten und was es den Dorfbewohnern für Vorteile brächte. Aktivitäten für Teenager, geselliges Beisammensein für die Älteren. Ein Schwimmbad, Sportmöglichkeiten, ein Yoga-Studio. Er redete weiter, aber sie hörte ihn nicht mehr. Sie konnte ihre Augen nicht von Camerons Händen lösen, die mit einem Stift herumspielten. Sie hatte diese Hände auf ihrem Gesicht gespürt, in ihrem Haar, auf ihren Armen. Er hatte sie mit ihnen an sich gedrückt, hatte sie mit ihnen beschützt.
Als er seine linke Hand ausstreckte, um nach einem Blatt Papier zu greifen, sah sie die Narbe, die quer über seinem Handrücken verlief und unter seinem Ärmel verschwand. Sie reichte, da war sie sich ganz sicher, bis fast zu seinem Ellbogen. Das wusste sie, denn sie hatte diese Wunde selbst genäht.
»Sunny?«
Sie konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart und blickte Jamie
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