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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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dass die Fähigkeit zu lernen sich ausschließlich auf die Nerven- und Immunsysteme beschränkt. Die Hypothese der systemischen Erinnerung hingegen geht davon aus, dass alle lebenden Systeme bis zu einem bestimmten Grad Information und Energie speichern und weitergeben können. (...) Das Ziel dieser Studie war es festzustellen, ob Persönlichkeitsveränderungen nach Herztransplantationen analog zur Persönlichkeit des Spenders zu beobachten sind. Wir führten offene Befragungen mit freiwilligen Empfängern von Spenderherzen durch, ihren Familienangehörigen und Freunden sowie mit denen der Spender, in verschiedenen Krankenhäusern an verschiedenen Orten. Pro Fall wurden zwei bis fünf Persönlichkeitsveränderungen festgestellt, analog zur Persönlichkeit des Spenders. Die Veränderungen betrafen Vorlieben bei Nahrungsmitteln, Musik, Kunst, Sexualität, Hobbys und der beruflichen Orientierung sowie die Erinnerung an Namen und Gefühlserlebnisse, die eindeutig den Spendern zugeordnet werden konnten. Wir sind der Ansicht, dass das Zellgedächtnis, die systemische Erinnerung, eine plausible Erklärung für diese Veränderungen liefern kann.
    (...)
    Es ist zu vermuten, dass sensible Empfänger von Organen Erlebnisse aus der Geschichte oder Persönlichkeit des Spenders „übernehmen“, die in dessen Gewebe gespeichert sind.

21. Kapitel
    Kairo, 15 . Oktober 2007, 1 6 Uhr
    Sid konnte nicht glauben, was der Computer im Anschluss ausspuckte. Professor Gary Schwartz hatte zahlreiche Empfänger von Spenderherzen besucht und ihnen Fragen gestellt. Ihre Angehörigen berichteten von einschneidenden Wesensänderungen nach den Transplantationen. Ehemalige Vegetarier schlangen plötzlich Unmengen von Fleisch hinunter, einfache Farmarbeiter begeisterten sich für klassische Opern, Müllwagenfahrer malten aufsehenerregende Kunstwerke. Nachforschungen von Schwartz hatten ergeben, dass die Spender der Organe genau diese Fähigkeiten und Vorlieben gehabt hatten. Ein Junge traute sich von einem Tag auf den anderen nicht mehr in den Swimmingpool, wie sich herausstellte, war sein Spender ertrunken. Am beklemmendsten aber war der Fall eines 56-jährigen Collegeprofessors. Jede Nacht seit dem Eingriff hatte er von einem grellen Blitz geträumt, danach einen jesusähnlichen Mann gesehen. Nachforschungen ergaben, dass der Spender Polizist gewesen und durch einen Schuss ins Gesicht getötet worden war. Der Professor brachte den Mann aus seinem Traum so genau zu Papier, dass der Täter gefasst werden konnte.
    »Das ist doch alles Schwachsinn!«, polterte Sid los. »Wenn ich lange genug im Internet wühle, finde ich auch den Beweis dafür, dass Bill Gates in Wahrheit ein Zwergpudel ist!«
    Rascal musste über den seltsamen Vergleich grinsen, wurde aber schnell wieder ernst. »Du hast Recht. Aber immerhin ist dieser Gary Schwartz Professor einer Universität unseres Landes. Natürlich ließe sich für all diese Beispiele sicher auch eine andere logische Antwort konstruieren. Wer in akuter Todesgefahr war, krempelt sicher häufiger sein komplettes Leben um. Aber erinnere dich mal an den Biologieunterricht!«
    Sid verzog das Gesicht. »Du meinst die Bienen und die Blumen?«
    »Quatsch!« Rascal warf ihm einen verärgerten Blick zu. »Genetik. Watson und Crick. Die Doppelhelix der DNA. In jeder Zelle des Menschen steckt seine gesamte Erbinformation. Aus einem winzigen Stückchen deines Ohrläppchens könnte man theoretisch einen neuen Sid erschaffen, einen Klon.«
    Sid starrte zum ratternden Ventilator an der Decke hinauf. Mühsam wälzten die Rotorenblätter die dicke Luft in dem Café um. Mühsam kam auch seine Erinnerung zurück. Genetik hasste er. Es erschien ihm einfach unangemessen, ein Individuum auf eine bloße Abfolge von Aminosäuren zu reduzieren, egal ob Mensch, Tier oder Pflanze. Alles was mit dieser Wissenschaft zu tun hatte, war ihm nicht geheuer: Genmais, geklonte Schafe, widerwärtige Versuche an menschlichen Embryonen. Gerade deshalb schienen sich die Grundbegriffe aber erstaunlich nachhaltig in seinem Gedächtnis festgesetzt zu haben, wie er nun bemerkte.
    Der Kassierer des Cafés riss ihn aus seinen Gedanken. Mit einem süffisanten Grinsen und einem gehauchten for the beautiful womaaaan stellte er ihnen eine Schale Pistazien neben die Tastatur. Sid bedankte sich mit einem Knurren.
    »Warum soll sich ein Herz nicht an seinen früheren Besitzer erinnern?«, fuhr Rascal fort, als ihr Bewunderer wieder hinter seinem Empfangstisch

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