Der Schatten des Horus
Safrangeruch, der ihm in New York schon einmal zur Flucht verholfen hatte, lähmte ihn plötzlich. Das Zellgedächtnis. Waren das die Erinnerungen Setepenseths?
Chufu hob seinen Arm. Sid verstand jedes der Worte, die zwischen seinen schmalen Lippen hervordrangen: »Setepenseth nennst du dich, aber der Name ist falsch! Du bist nicht auserwählt von einem Gott! Du bist Abschaum, wie die Ratte, die von Aas sich ernährt! Mein Name ist Chnum Chufu, Chnum ist es, der mich schützt! Mein Horusname ist Medjedu, Horus, der die Angreifenden zerdrückt! Mein Goldname ist Goldener der zwei Falken, denn sie beschützen mich gegen dich! Dies ist das Haus, das ich erbauen ließ, und das achet chufu heißt, Horizont des Chufu. Der Schatten des Horus liegt über diesem Haus, damit du es niemals verlassen kannst!«
Chufus Blick drang Sid tief in die Brust. Das Mumienherz war in Panik, es klopfte wild und unregelmäßig, Ba-Bomm-Bomm, Ba . Schweiß lief Sid in die Augen. Er versuchte die Tropfen wegzublinzeln, aber er war völlig gelähmt. Der Pharao hatte komplette Macht über ihn.
»Du hast mich verflucht, als sich das Gefängnis hinter dir schloss. Niemals sollte mein Herz Ruhe finden, solange die Menschen sich an mein Gesicht erinnerten. Das waren deine Worte, du Erbarmungsloser! Ich ließ alle Ebenbilder von mir zerstören und verbot es bei Todesstrafe, neue zu schaffen. Niemand durfte mir mehr Lieder singen, niemand meine Taten rühmen in Gedichten! Nur diese eine Figur wurde vergessen, in Abydos. Deshalb, du Boshafter, kann ich nicht treten vor das Totengericht in der Unterwelt und mein Herz gegen die Feder der Maat aufwiegen lassen. Aber dein Fluch hat sich nicht erfüllt. Mein Körper liegt verborgen im Sand der Wüste, wo kein Sterblicher ihn jemals finden kann. Die vier Söhne des Horus beschützen mich, Amset meine Leber, Hapi meine Lunge, Duamutef meinen Magen, Kebehsenuef meine Eingeweide. Und mein Herz liegt noch immer in meiner Brust und wartet darauf, die Antworten zu geben, die Anubis hören will.«
Chufu streckte seinen linken Arm mit der Geißel aus, die er bisher dicht an seinen bloßen Oberkörper gedrückt hatte. Krone und Geißel, die Insignien der Befehlsgewalt.
»Jetzt ist der Augenblick gekommen, auf den ich gewartet habe, seit die Steine sich hinter dir schlossen. Du bist zu schwach, um den Kampf zu gewinnen! Tausend und tausend und tausend und tausend und sechs mal hundert Jahre sind vergangen, und jeder Tag hat dich geschwächt! Und ich wusste, du würdest zu mir zurückkehren!«
Chufu schlug mit der Geißel um sich, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. Das Mumienherz hämmerte wild gegen Sids Brustkorb. Er konnte die einzelnen Schläge nicht mehr unterscheiden, der Muskel raste, kontraktierte ohne Rhythmus. Es war das Entsetzen des anderen , nicht seines, aber als Chufu mit der erhobenen Geißel auf Sid zeigte, sprang die infernalische Furcht auch auf ihn über. Die Angst war so groß, dass sie ihn fast innerlich zerfetzte. Noch einmal bündelte er alle Kraft und versuchte dem Blick auszuweichen, aber sein Körper gehorchte ihm nicht. Die Glieder waren wie versteinert. »Heute ist der Tag, den mir Setepenhorus einst versprochen hat! Dein unsterbliches Herz wird zerschmettert!«
Sid stockte der Atem. Tue es!, durchzuckte es ihn. Zerstöre das Herz! Der Schweiß rann ihm vor Anstrengung Rücken und Bauch hinunter. Es war absurd. Chufu kämpfte gegen ihn und er wollte es nicht verhindern! Erlöse mich!, flehte er im Stillen.
Würde er leiden? Würde sein Körper schmerzen, wenn der Dämon starb? All das schien plötzlich unwichtig, belanglos. In den Sekundenbruchteilen, die ihm noch blieben, versuchte er, alles dafür zu tun, um Chufu zu helfen. Auch wenn die Konsequenz sein eigener Tod war.
Chufu durchschnitt mit seinem Königsstab die Luft. »Höre, Setepenseth, und leide, denn das ist die Formel, die mich Horus gelehrt hat!« Sein Arm stoppte. Der Stab in seiner Hand wurde zur Schlange. Böse blitzte sie Sid an. » Isi irek er chaset mi hefau djedu enef efa, cheper em scha! En wenenek dep ta, cheper hetep, remetj neb em haaut. Setepenseth, hetem tju Chufu! «
Sid spürte einen scharfen Schmerz in seiner Kehle. Unter den Qualen einer unbekannten Folter bäumte er sich auf wie ein verblutendes Stück Wild. Wie ein Ertrinkender schnappte er nach Luft. Dann entlud sich die ganze Wucht in einem einzigen Schrei. Sein Hals brannte, als sich das Geheul seinen Weg nach draußen bahnte.
»Du
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