Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
Vom Netzwerk:
nach kurzem Tasten hatte er ihn gefunden. Wie viele Meter waren es gewesen? Vierzig? Das kalte Holz glitt ihm durch die Finger. Sid zählte die Querstreben gegen die er mit den Knien stieß. Vier davon konnten ein Meter sein. Aber wie viele hatte er schon hinter sich gelassen? Der Gang machte einen Knick und führte nach oben. Sollte er umkehren, um sich ganz sicher zu sein? Gab es noch andere Stollen, die Saladim nicht erwähnt hatte? Blockiersteine, deren Mechanismus noch nicht ausgelöst worden war? Mit dem Fuß blieb Sid an etwas hängen, instinktiv zog er den Kopf ein. Nichts passierte. Es war nur ein Kabel. Er probierte es noch einmal: »Rascal!«
    »Sid!« Jetzt hörte er ihre Stimme. Schwach zwar, aber seine Richtung stimmte. Ungeduldig schob er sich vorwärts. Zweimal schlug er sich den Kopf an der niedrigen Decke. Es war ihm egal. Endlich fiel etwas Licht in den Absteigenden Korridor, also konnte der Ausstieg nicht mehr weit sein. Die letzten Meter rutschte er erschöpft auf dem Bauch aufwärts. Blindlings wäre er beinahe gegen das Gitter gestoßen. Die Pyramide war verschlossen. Draußen herrschte tiefste Nacht.
    Überrascht starrte ihn Rascal von der anderen Seite des Tors an, das Licht einer Gaslampe grub tiefe Furchen in ihr Gesicht.
    »Mein Gott, Sid, ich hab mir solche Sorgen gemacht!« Sie umschlang ihn durch die Gitterstäbe hindurch und presste so gut es ging den Kopf an seine Brust.
    »Warte einen Moment«, sagte sie nach einer Weile, »so geht das nicht!« Sie stellte die Lampe ab und verschwand über die Stufen aus seinem Gesichtsfeld.
    »Mach schnell!«, brüllte Sid ihr nach. Wütend rüttelte er an den Eisenstangen. Jetzt erst bemerkte er, dass seine Kleidung völlig zerrissen war. Jeder vorspringende Stein in der Pyramide hatte sich offensichtlich in dem Stoff verewigen wollen.
    Schon nach wenigen Minuten kehrte Rascal mit einem Mann zurück. Es konnte Ahmed sein, der Wächter, oder einer seiner Kollegen. Sid erinnerte sich nicht mehr richtig an sein Gesicht. Ohne den Blick von Sid zu nehmen, drehte der Typ den Schlüssel herum, sprang in einem weiten Satz vom Tor weg und eilte die Rampe hinauf.
    »Was ist mit ihm?«, fragte Sid verwirrt. Statt einer Antwort fiel ihm Rascal um den Hals und drückte ihn an sich. Sid spürte, dass sie große Angst um ihn gehabt haben musste.
    Schweigend liefen sie über die Bohlen zur Kante der Pyramide. Rechts von ihnen glitzerten die Lichter der Großstadt. Sid musste einige Stunden bewusstlos gewesen sein!
    Sid drückte Rascals Hand ganz fest, bis er Angst hatte, er würde ihr die Knochen brechen. Hier wollte er stehen bleiben, in einer lauen Nacht, und nichts mehr denken müssen. Nur noch fühlen. Es gelang ihm nicht.
    »Warum habt ihr mich so lange alleine gelassen?«, presste er hervor. Sofort biss er sich auf die Lippen. Der Satz klang verdammt nach Vorwurf.
    Augenblicklich ließ Rascal seine Hand los und drehte sich um. »Sid, Professor Saladim, Yusuf und ich haben jeden Millimeter der verfluchten Pyramide abgesucht. Alle Wächter haben uns geholfen. Sie haben mir sogar die Felsenkammer und die Grotte aufgeschlossen und alle fünf Entlastungskammern über der Grabkammer. Sogar durch den Fluchtschacht habe ich mich nach oben gedrückt. Du warst nicht mehr da!« In ihrer Stimme schwang Panik.
    Sid starrte sie verwirrt an. »In die Grabkammer hättet ihr gehen müssen, ich war die ganze Zeit dort!«
    Rascal nahm nun wieder seine Hände. »Sid, wir waren da, glaub mir! Und als die Reisegruppen vor dem Eingang immer unfreundlicher wurden, musste Ahmed auch sie wieder hereinlassen. Tausend Touristen sind seitdem in der Pyramide gewesen und keiner hat dich gesehen.«
    Sid stieß die Luft aus. »Touris! Die schauen doch sowieso nicht hin, die filme n …« Er hielt inne. Nur langsam wurde ihm klar, was Rascals Worte bedeuteten. »Hast du tausend gesagt?«
    Rascal nickte. »Ja, Sid. Du warst drei Tage verschwunden!«

31. Kapitel
    Kairo, Nilinsel Rhoda, Freitag, 19 . Oktober 2007, 8 Uh r 55
    Birger Jacobsen kam fünf Minuten zu früh am vereinbarten Treffpunkt an. Schwitzende Touristen drückten sich mit verhaltenem Interesse durch den Schacht des Nilometer, Sharia al-Malek as-Salih, Nilinsel Rhoda. Tief unter der Stadt stand diese eckige Säule, ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Seit dem Bau des Nasser-Staudamms hatte sie jeden Nutzen verloren.
    Die Sonnenstrahlen, die durch die gläserne Kuppel fielen, tauchten das Gewölbe in ein dämmriges

Weitere Kostenlose Bücher