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Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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erforderlichen Kapitalanlagen dafür. Berndorf beschloss, wegzuhören, und vertiefte sich in das Taschenbuch. Montaigne beschäftigte sich mit der Glaubwürdigkeit der Menschen: »Wem aber schenkt man in einer so verderbten Zeit schon Glauben, wenn er von sich selber spricht, wo es doch kaum einen, vielmehr keinen gibt, dem man, wenn er von andren spricht, Glauben schenken kann, obwohl dann ja weniger Interesse am Lügen besteht?«
    Berndorf ließ das Buch sinken. Kein Kriminalbeamter glaubt unbesehen, was man ihm erzählt. Aber ganz gewiss war es wahr, dass die Menschen noch mehr lügen, wenn sie von sich selbst reden. Aber war es nicht auch so, dass es gerade ihre Lügen sind, mit denen die Menschen sich verraten?
    Die Stimme vor ihm drängte sich in sein Bewusstsein. »Wenn es so ist«, sagte der Stiernackige, »dann sollten wir das Projekt stornieren«. Es war ein Norddeutscher. Er sagte »s-tornieren«. Ein Blitzschlag hellte Berndorfs Gedächtnis auf. Plötzlich war er hellwach. Er wusste jetzt, warum er in seinen Gedanken den Ort Muskau nach Schleswig-Holstein verlegt hatte.
    »Nein«, sagte er, und er sagte es so laut, dass die Stewardess,
die in der Sitzreihe hinter ihm gerade einen Tomatensaft ausschenkte, kurz zurückzuckte.
     
    Zur gleichen Zeit machte sich der Zeugwart des Schutz- und Gebrauchshundevereins Söflingen 1912 e. V. auf den Weg, um im Clubheim auf dem vereinseigenen Gelände an den Blauäckern das Material für eine Prüfung am kommenden Wochenende bereitzulegen. Zu seiner Verärgerung stellte er fest, dass die Tür des Vereinsheims nur angelehnt war. Er machte Licht. Es schien sonst alles in Ordnung zu sein. Er ging in das Hinterzimmer. Jemand hatte den Schrank mit der Schutzkleidung aufgebrochen, eine neuwertige Garnitur wattierter Arm- und Beinschützer und ein Schutzmantel fehlten. Es war die Ausrüstung für den Angreifer, der Kampfbereitschaft und Abwehrverhalten des Hundes auf die Probe stellen musste. Der Zeugwart holte sein Handy heraus und rief bei der Söflinger Polizei an, doch der Anruf wurde in die Dienstbereitschaft der Ulmer Polizeidirektion umgeleitet.
     
    Ulrich Gauggenrieder saß noch vor dem Fernseher. Seine Frau war schon zu Bett gegangen. Das erlaubte ihm, ein Porno-Video einzulegen, auf dem drei muskulöse Farbige eine zappelnde Blondine vergewaltigten. Draußen hörte er ein Rascheln, dann ein kurzes Jaulen. Gauggenrieder stand auf, öffnete die Terrassentür und pfiff seinen Hunden. Nichts rührte sich. Er starrte angestrengt in die Dunkelheit. Es schien ihm, als lägen im Garten zwei länglich hingestreckte Schatten. Dann spürte er etwas an seiner Kehle, glatt und kalt.
     
    »Hören Sie«, sagte der Beamte in der Dienstbereitschaft, »wir müssen einen schweren Unfall auf der B30 aufnehmen. Sie können doch das Vereinsheim heute Abend mit einem Vorhängeschloss sichern. Wir schicken dann morgen jemand vorbei, der sich den Schaden ansieht. Wir haben jetzt leider keine Streife zur Verfügung.«

    »Typisch«, sagte der Mann am Handy, »wenn wir einmal die Polizei brauchen, kommen nichts als Ausreden. Aber wenn man mal falsch geparkt hat!«
    Der Beamte legte die Hand auf die Sprechmuschel und warf einen hilflosen Blick auf die Kriminalkommissarin Wegenast, die ebenfalls Bereitschaft hatte und sich gerade einen Becher Kaffee von der gemeinsamen Maschine holen wollte. »Was das heute wieder für Leute sind! Da haben sie beim Schutzhundeverein in Söflingen eingebrochen, und jetzt sollen wir sofort auf der Matte stehen.«
    Tamar runzelte die Stirn. »Was kann man beim Hundeverein bloß klauen?«
    »Offenbar Schutzkleidung«, sagte der Beamte. »Der da vermisst irgend so etwas.« Und er wies mit dem Kinn auf den Telefonhörer.
    »Schutzkleidung?«, fragte Tamar. Im nächsten Augenblick warf sie den Pappbecher weg. »Legen Sie sofort auf und schicken Sie alles, was wir noch haben, in den Fünf-Bäume-Weg, oh ist das eine gottverdammte Scheiße!«

Dienstag, 3. Februar
    Mit quietschenden Reifen und Blaulicht bog der Streifenwagen in den Innenhof des Neuen Baues ein. Die schwere Limousine mit dem Stuttgarter Regierungskennzeichen folgte dichtauf.
    Kriminalrat Englin stürzte zum Wagen und riss die Tür zum Fond auf. Ein untersetzter Mann mit kurz geschorenem Haar sprang heraus. Schlauff hatte die Bühne betreten. »Sehr ernst, Englin, sehr ernst«, sagte er und drückte dem Kriminalrat kurz die Hand. Ein zweiter Mann mit gleichfalls kurz geschorenem Haar und einer auf die

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