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Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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würde.
    Die beiden Originale aus Tübingen und aus Hildegard Vöhringers Album verwahrte er zusammen mit dem Funkbild aus Görlitz und jeweils einem Abzug der Twienholt-Porträts in einem gesonderten Umschlag, den er an Tamar Wegenast adressierte.
    An der Rezeption suchte ihm der Nachportier bereitwillig Briefmarken heraus und bot an, die vier Umschläge mit der Hotelpost auf den Weg zu bringen. Berndorf lehnte freundlich ab und sagte, er wolle vor dem Schlafen noch einen Spaziergang machen. Er nahm eine der Taxen, die vor dem Maritim warteten, und ließ sich zur Hauptpost bringen. Dort warf er die vier Briefe ein.
    Danach überquerte er die Olgastraße, an der die Hauptpost lag, und ging zu Fuß durch die Altstadt zu dem Hotel im Bäumlesgraben. Weil es zu spät war, um noch jemand herauszuklingeln, warf er den an Tamar adressierten Umschlag mit den Originalen in den Hotelbriefkasten.
    Danach kehrte er ins Maritim zurück. Sein Hotelzimmer lag im sechsten Stock. Die Vorhänge waren aufgezogen, und Berndorf sah, wie die Wolken unter dem Nachthimmel jagten. Er zog sich aus und legte sich auf das Bett. Er dachte noch, dass er nicht so viel Kaffee hätte trinken sollen. Dann schlief er ein.

Freitag, 6. Februar, 8 Uhr
    Am nächsten Morgen rief Berndorf von seinem Zimmer aus Tamar in ihrer Pension an und bat sie, den Umschlag an sich zu nehmen. Dann frühstückte er ausgiebig, obwohl er sonst Frühstück im Hotel verabscheute.
    Mit einer Taxe fuhr er zu sich nach Hause. Vor dem Eingang zu dem Appartementblock, in dem Berndorf wohnte, war ein Streifenwagen geparkt. Berndorf sah es mit stiller Genugtuung.
    »Sind das Freunde von Ihnen?«, fragte der Taxifahrer, als der Kommissar bezahlte.
    »Haben Sie schon Ihren Lottozettel abgegeben?«, fragte Berndorf zurück. »Sollten Sie tun. Sie haben heute ein glückliches Händchen.«
    Berndorf ging zu dem Streifenwagen. Der Beifahrer war bereits ausgestiegen und grüßte ihn förmlich.
    »Ich habe dringenden Auftrag von Kriminalrat Englin, Sie in die Direktion zu bringen«, sagte er, und immerhin klang es so, als ob er ein wenig verlegen sei. Berndorf meinte, dass er sich erst einmal rasieren wolle.
    Der Beamte wand sich. »Ich habe den Auftrag, Sie sofort in den Neuen Bau zu bringen.«
    »Na schön«, sagte Berndorf. »Ich will Sie und mich nicht in Verlegenheit bringen.«
    Im Neuen Bau hatte es Englin dann doch nicht so eilig, sondern ließ Berndorf grußlos erst einmal vor seinem Schreibtisch stehen und telefonierte nach Steinbronner. Berndorf griff sich einen Stuhl und setzte sich. Nach wenigen Augenblicken schoss Steinbronner ins Zimmer.
    »Da ist er«, sagte Englin. Berndorf wusste nicht, wen der Kriminalrat meinte.
    »Sehr schön«, sagte Steinbronner und musterte Berndorf. »Haben Sie sich gut unterhalten? Spaziergänge gemacht? Sich ein wenig erholt?« Ohne Vorwarnung überschlug sich
seine Stimme. »Menschenskind, Sie sagen mir auf der Stelle, welche Schweinerei Sie schon wieder ausbrüten! Wann wird Ihnen eigentlich klar, dass Sie in dieser ganzen Sache nur Scheiße gebaut haben?«
    »Was schreien Sie eigentlich so?«, fragte Berndorf. »Ich denke, ich bin suspendiert.«
    »Allerdings«, sagte Steinbronner und atmete wieder durch, »allerdings sind Sie suspendiert. Sie werden jetzt unter meiner Aufsicht Ihren Schreibtisch aufräumen, und glauben Sie mir, Sie werden mir jedes Fitzelchen zu erklären haben. Und danach werden wir uns Ihre Wohnung ansehen. Glauben Sie nur nicht, ich könnte mir keinen Hausdurchsuchungsbefehl besorgen. Wie wär es wegen des Verdachtes auf Strafvereitelung?«
     
    Vier Stunden später klingelte Tamars Telefon. »Können Sie mir den Umschlag bringen?«, fragte Berndorf ohne weitere Einleitung.
    Eine halbe Stunde später trafen sie sich in der Cafeteria des Hauptbahnhofs. Tamar schob ihm bei der Begrüßung den Umschlag in die Hand. Berndorf trug unter seinem Mantel einen hellen, leichten Anzug und hatte eine Reisetasche bei sich. Er wirkte gelassen.
    »Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert«, sagte er. Tamar wollte wissen, wohin er fahre. »Bisschen nach Paris und weiter«, antwortete er. »Übrigens – falls Sie in den nächsten Tagen einen Wagen brauchen, nehmen Sie meinen Citroën.« Er schob ihr die Autoschlüssel zu. »Es ist nur ein Haken dabei. Er steht in Blaubeuren beim Bahnhof.«
     
    Wieder eine Stunde später wurde Englin mit Kurierpost ein dicker Umschlag auf den Schreibtisch gelegt; Absender war die

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