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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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über Lurks vor sich hin murmelten. So nannte man die Blassen in Tear, und zwar in Märchen, mit denen man Kinder erschrecken wollte. Einige suchten nun unter den gefällten Menschen nach denen, die noch am Leben waren, halfen ihnen auf die Beine oder betteten sie bequemer auf herumliegende Umhänge. Nur zu viele blieben liegen, wo sie gefallen waren. Man konnte den Verwundeten jetzt nicht mehr bieten als von ihren eigenen blutigen Hemden abgerissene Streifen, mit denen man die Wunden notdürftig verband.
    Jetzt sahen diese Tairener nicht mehr so hübsch aus wie vorher. Ihr Harnisch glänzte nicht mehr und war verbeult und eingedellt; die einst so schönen schwarzroten Mäntel und Hosen waren zerrissen und schmutzig. Einige trugen keine Helme mehr und manch einer stützte sich auf seinen Speer, als könne ihn nur der allein noch aufrecht halten. Vielleicht war es tatsächlich so. Sie atmeten schwer, und ihre Gesichter waren verzerrt von dieser eigenartigen Mischung von nackter Angst und blinder Betäubung, die Männer in der Schlacht oft ergreift. Sie sahen Rand unsicher an. Ihre Blicke waren unstet und ängstlich, als könne es sein, daß er selbst diese Kreaturen aus der Fäule herbeigerufen habe.
    »Wischt Eure Speerspitzen ab«, sagte er ihnen. »Das Blut eines Blassen brennt sich wie Säure in Stahl, falls es lange genug daran klebt.« Die meisten kamen dem Befehl nur langsam nach, benützten zögernd alles, was zu Hand war, vor allem die Mantelärmel ihrer eigenen Toten.
    Die Geräusche weiterer Kämpfe drangen durch die Gänge, ferne Schreie und das gedämpfte Dröhnen von Metall auf Metall. Sie hatten ihm zweimal gehorcht, und nun war es an der Zeit, festzustellen, ob sie noch mehr tun würden. Er wandte ihnen den Rücken zu und ging durch den Vorraum in Richtung des Kampflärms. »Folgt mir«, befahl er. Er hob seine aus dem Feuer geborene Klinge, um sie daran zu erinnern, wer er war, und hoffte, daß ihm diese Geste keinen Speer in den Rücken einbringen würde. Er mußte es riskieren. »Der Stein widersteht! Für den Stein von Tear!« Einen Moment lang waren seine eigenen hallenden Schritte das einzige Geräusch unter den Säulen des Raums, aber dann begannen andere Stiefeltritte, ihm zu folgen. »Für den Stein!« rief ein Mann, und ein anderer: »Für den Stein und den Drachen!« Weitere Männerstimmen nahmen den Ruf auf. »Für den Stein und den Drachen!« Rand begann zu laufen, und so führte er sein blutendes Herr von dreiundzwanzig Soldaten tiefer in den Stein hinein.
    Wo war Lanfear, und welche Rolle hatte sie bei dem allen gespielt? Er hatte kaum Zeit zu überlegen. In den Sälen des Steins lagen tote Männer in ihrem eigenen Blut, hier einer, weiter hinten zwei oder drei, Verteidiger, Diener, Aiel. Auch Frauen, Adelige in Linnengewändern und in Wolle gekleidete Dienerinnen, die man niedergestreckt hatte, als sie zu fliehen versuchten. Den Trollocs war es gleich, wen sie töteten. Es machte ihnen Spaß. Myrddraal waren aber noch schlimmer. Die Halbmenschen genossen Schmerz und Tod geradezu.
    Ein Stückchen weiter drinnen im Stein brodelte es. Horden von Trollocs zogen durch die Säle, manchmal von einem Myrddraal angeführt, manchmal allein, kämpften gegen Aiel oder Verteidiger, erstachen Unbewaffnete und zogen weiter auf der Suche nach Menschen, die sie töten konnten. Rand führte seine kleine Streitmacht gegen alle Schattenwesen, die er antraf. Sein Schwert schnitt mit gleicher Leichtigkeit durch halbmenschliches Fleisch wie durch schwarze Harnische. Nur die Aiel allerdings wagten es, sich einem Blassen offen im Kampf zu stellen. Die Aiel und Rand. Er überließ die Trollocs den Verteidigern und griff statt dessen Blasse an. Manchmal nahm ein Myrddraal im Sterben ein oder zwei Dutzend Trollocs mit in den Tod, manchmal auch keinen.
    Einige seiner Verteidiger fielen und standen nicht mehr auf, aber dafür schlossen sich ihnen ein paar Aiel an, so daß sich ihre Anzahl beinahe verdoppelte. Gruppen von Männern fielen von ihnen ab, als die wütenden Gefechte sie unter Schreien und dem Dröhnen aufeinandertreffender Schwerter wie in einer irren Schmiede von ihnen wegführten. Andere Männer kamen dafür hinzu, fielen wieder ab, wurden ersetzt, und so befand sich schließlich niemand von denen mehr bei ihm, die ursprünglich mit ihm gegangen waren. Manchmal kämpfte er auch ganz allein oder rannte durch einen Gang, der bis auf ihn und die Toten leer war. Immer folgte er dem Lärm entfernter

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