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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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ihr geführt? Warum ist sie wie angestochen weggerannt?« »Das ist eine Sache zwischen ihr und mir. Ihr werdet ihr nicht mehr nahe kommen, Faile. Ich glaube nicht, daß sie mit diesem Streit angefangen hat. Ihre Waffen sind keine Messer. Falls eine von euch noch mal Schwierigkeiten macht, werde ich Euch künftig den Müll schleppen lassen. Ein paar der Tairener hatten geglaubt, sie könnten weiter ihre Privatduelle austragen, nachdem ich an diesem Ort den Hausfrieden verkündet hatte, aber der Gestank der Müllkarren und der Sickergruben hinter den Toiletten hat sie schnell eines besseren belehrt. Geht sicher, daß Ihr nicht auf die gleiche Art lernen müßt.« Sie wartete, bis er weg war, und dann rieb sie sich die schmerzende Schulter. Er erinnerte sie an ihren Vater. Nicht, daß ihr Vater ihr jemals den Arm umgedreht hatte, aber auch er hatte wenig Geduld mit Leuten, die Schwierigkeiten machten, gleich, welchen Standes sie waren, und niemand konnte ihn je überraschen. Sie fragte sich, ob sie Berelain irgendwie provozieren könne, damit sie erlebte, wie die Erste von Mayene zwischen den Müllkarren ins Schwitzen kam. Aber Rhuarc hatte sie beide gemeint. Ihr Vater tat auch immer das, was er angedroht hatte. Berelain. Etwas, das Berelain gesagt hatte, war ihr im Hinterkopf geblieben. Ogiereid. Das war es. Ein Ogier brach niemals einen Eid. Wenn man von einem Eidbrecher bei den Ogiern sprach, war das dasselbe, als spreche man von einem ›tapferen Feigling‹ oder einem ›klugen Narren‹.
    Sie konnte sich nicht helfen: Sie mußte laut lachen. »Du wirst ihn mir wegnehmen, du dumme Henne? Bis du ihn wiedersiehst, wenn überhaupt, gehört er wieder mir allein.« Sie schmunzelte, rieb sich noch mal die Schulter und ging leichten Herzens zu ihrem Zimmer.

KAPITEL
15

    Über die Schwelle
    M at hielt die verglaste Laterne hoch über seinen Kopf und spähte den engen Korridor hinunter, der sich tief im Bauch des Steins befand. Nur, wenn mein Leben davon abhängt. Das hatte ich mir vorgenommen. Also, seng mich, jetzt ist es doch wohl soweit!
    Bevor die Zweifel ihn wieder packen konnten, eilte er weiter, an Türen vorbei, die vermodert waren und schief in den Angeln hingen, während bei anderen nur noch Holzreste an den verrosteten Scharnieren verblieben waren. Den Boden hatte man kürzlich gefegt, doch die Luft roch noch nach altem Staub und Moder. Irgend etwas huschte durch die Dunkelheit, und er hatte schon ein Messer in der Hand, bevor ihm klar wurde, daß es nur eine Ratte war, die vor ihm wegrannte, vermutlich einem Fluchtloch in der Nähe zu.
    »Zeig mir den Weg hinaus«, flüsterte er ihr hinterher, »und ich komme mit dir.« Warum flüstere ich eigentlich? Hier unten ist niemand, der mich hören könnte. Es war ein Ort des Schweigens. Er fühlte das ganze Gewicht des Steins über seinem Kopf und auf seinen Schultern lasten.
    Die letzte Tür, hatte sie gesagt. Die hing auch schief in den Angeln. Er trat sie auf, und sie brach zusammen. Überall im Raum sah er schattenhaft Dinge herumstehen, Kisten und Fässer und andere Sachen, die man an den Wänden und auf den Boden gestapelt hatte. Und Staub. Die
    Große Sammlung! Es sieht aus wie der Keller eines verlassenen Bauernhauses oder noch schlimmer. Es überraschte ihn, daß Egwene und Nynaeve während ihres Aufenthalts hier unten nicht Staub gewischt und aufgeräumt hatten. Es hätte ihnen ähnlich gesehen. Auf dem Fußboden waren viele sich überlagernde Spuren zu sehen; manche davon stammten von Stiefeln. Zweifellos hatten sie Männer dabeigehabt, die ihnen die schweren Sachen aus dem Weg räumten. Nynaeve suchte immer Möglichkeiten, Männer zum Arbeiten zu bringen. Wahrscheinlich hatte sie sich ein paar Burschen herausgesucht, die gerade ihre Freizeit genossen, und sie hier unten schaffen lassen.
    Was er suchte, hob sich vom anderen Schrott deutlich ab. Ein hoher Türrahmen aus Sandstein, der im Schatten ganz eigenartig aufragte. Beim Näherkommen verstärkte sich dieser Eindruck des Eigenartigen. Verdreht. Sein Auge wollte dem Umriß nicht folgen. Die Ecken paßten nicht aufeinander. Das hohe, hohle Rechteck schien schon bei einem Lufthauch umstürzen zu müssen, doch als er es vorsichtig mit der Hand anstieß, stand es fest und sicher. Er schob ein bißchen stärker. Beinahe wünschte er, das Ding würde wirklich kippen, aber nur die Seite, an der er geschoben hatte, knirschte ein Stück weiter durch den Staub. Er hatte eine Gänsehaut an den Armen. Es hätte

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