Der Schatten erhebt sich
fast an einem Draht von der Decke her zum Oberteil hängen können. Er leuchtete nach oben. Nichts - kein Draht. Wenigstens wird es nicht kippen, wenn ich drin bin. Licht, gehe ich wirklich da hinein?
Auf dem Deckel eines großen Fasses in seiner Nähe standen eine Reihe von kleinen Plastiken und anderen Dingen herum, die in zerfallenden Stoff gewickelt waren. Er schob das ganze Durcheinander zur Seite, um seine Lampe hinstellen zu können, und dann betrachtete er die Tür. Den Ter'Angreal. Falls Egwene wußte, wovon sie sprach. Wahrscheinlich schon. Zweifellos hatte sie in der Burg alle möglichen seltsamen Sachen gelernt und erfahren, auch wenn sie das abstritt. Sie dürfte eine ganze Menge abstreiten. Bestimmt. Ist dabei, zur Aes Sedai zu werden. Aber das hier hat sie nicht geleugnet, oder? Wenn er die Augen zusammenkniff, sah es einfach wie irgendein anderer Türrahmen aus, matt glänzend und verstaubt. Nur ein einfacher Türrahmen. Na ja, vielleicht doch nicht so ganz einfach. Auf jeder Seite des Rahmens verliefen drei tief eingekerbte Schlangenlinien von oben bis unten. Er hatte auf den Türen von Bauernhäusern schon kunstvollere Ornamente gesehen. Vielleicht würde er sich nach dem Hindurchgehen immer noch im gleichen staubigen Raum befinden.
Ich werde es nicht erfahren, wenn ich es nicht versuche. Glück! Er atmete tief ein - hustete erstmal wegen des Staubs - und setzte einen Fuß auf die Schwelle.
Ein Schritt, und er trat durch einen Vorhang aus blendend weißem Licht, unendlich hell, unendlich dicht. Einen Augenblick lang, und dieser Augenblick schien ihm eine Ewigkeit zu dauern, war er blind. Ein Rauschen erfüllte sein Gehör, als hätten sich alle Geräusche der Welt in diesem einen gesammelt. Alles nur einen einzigen Schritt lang.
Er stolperte einen Schritt weiter und blickte sich erstaunt um. Der Ter'Angreal war immer noch da, aber er befand sich ganz bestimmt an einem anderen Ort als dem, von dem er aufgebrochen war. Der verdrehte steinerne Türrahmen stand im Mittelpunkt eines runden Saals mit einer befindlichen Decke, so hoch droben, daß sie sich im Schatten verlor. Rundherum standen gewundene gelbe Säulen, die sich nach oben in die Düsternis erhoben wie riesenhafte Ranken, die sich einst um runde Pfosten gezogen hatten. Diese hatte man allerdings entfernt. Glühende Kugeln auf ebenfalls spiralförmigen Lampenständern aus einem weißen Metall warfen ein weiches Licht in den Saal. Das Material dieser Ständer war kein Silber; dafür war es zu matt. Und er fand keinen Hinweis darauf, was das Glühen erzeugte. Er konnte keine Flamme entdecken. Die Kugeln leuchteten einfach. Weiße und gelbe Streifen zogen sich spiralförmig um den Ter'Angreal herum. In der Luft lag ein schwerer Geruch, scharf und trocken und nicht besonders angenehm. Er hätte sich beinahe umgedreht und wäre zurückgegangen. »Eine lange Zeit.« Er fuhr zusammen und hatte sofort ein Messer in der Hand. Dann spähte er zwischen die Säulen, woher diese rauchige Stimme gekommen war, die diese Worte so hart ausgesprochen hatte.
»Eine lange Zeit, und doch kommen die Suchenden wieder, um Antworten zu erhalten. Die Frager kommen noch einmal.« Ein Umriß bewegte sich hinten zwischen den Säulen - ein Mann, wie Mat glaubte. »Gut. Ihr habt keine Lampen und keine Fackeln mitgebracht, wie es die Vereinbarung verlangte und immer noch verlangt und immer verlangen wird. Ihr habt kein Eisen bei Euch? Kein Musikinstrument?« Die Gestalt trat hervor, hochgewachsen, barfuß, Arme, Beine und Körper mit Streifen gelben Stoffes umwickelt, und plötzlich war Mat nicht mehr sicher, daß es ein Mann sei. Oder überhaupt menschlich. Auf den ersten Blick wirkte sie menschlich, wenn auch vielleicht etwas zu elegant in der Bewegung, doch sie schien viel zu dünn für ihre Größe und hatte ein schmales, überlanges Gesicht. Die Haut und sogar das glatte schwarze Haar spiegelten das Licht auf eine Art wider, die ihn an die Schuppen einer Schlange erinnerten. Und dann diese Augen. Die Pupillen waren nur schwarze, senkrechte Schlitze. Nein, nicht menschlich.
»Eisen. Musikinstrumente. Ihr habt keine dabei?« Mat fragte sich, was die Gestalt wohl von seinem Messer hielt. Sie schien sich jedenfalls nicht darum zu kümmern. Na ja, die Klinge bestand aus gutem Stahl und nicht einfach aus Eisen. »Nein. Kein Eisen und keine Instrumente... Warum eigentlich?« Er unterbrach sich abrupt. Drei Fragen, hatte Egwene gesagt. Er würde keine davon für
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