Der Schatten erhebt sich
Ihr sterben.« Die Glocke läutete wieder und diesmal lauter. Mat fühlte den Boden durch seine Stiefelsohlen hindurch vibrieren. Die drei blickten nun wirklich ängstlich drein. Er öffnete den Mund, aber im Moment kümmerten sie sich nur umeinander.
»Die Belastung«, sagte eine der Frauen hastig, »ist zu groß.« »Diese Ausstrahlung bei ihm!« sagte die andere Frau sofort. »Es ist wirklich schon so lange her.« Noch bevor sie ausgesprochen hatte, äußerte sich auch der Mann: »Die Belastung ist zu groß. Zu groß. Fragt. Fragt!« »Seng Eure verfluchten Seelen!« tobte Mat. »Ich frage ja schon! Warum muß ich sterben, wenn ich nicht nach Rhuidean gehe? Ich werde wahrscheinlich sterben, wenn ich es auch nur versuche! Das ergibt alles keinen... « Der Mann unterbrach ihn und sprudelte hervor: »Ihr würdet Euren Schicksalsfaden verlassen, Euer Schicksal den Winden der Zeit überlassen, und diejenigen, die wünschen, daß Ihr euer Schicksal nicht erfüllt, würden Euch töten. Geht jetzt. Ihr müßt gehen! Schnell!« Mit einemmal stand sein gelb umhüllter Führer neben ihm und zupfte ihn mit diesen überlangen Händen am Ärmel.
Mat schüttelte seine Hände ab. »Nein! Ich gehe nicht! Ihr habt mich von den Fragen abgelenkt, die ich stellen wollte, und mir statt dessen sinnlose Antworten vorgesetzt. Ihr werdet es nicht dabei belassen. Über welches Schicksal sprecht Ihr eigentlich? Ich will wenigstens eine klare Antwort von Euch!« Ein drittes Mal erklang traurig die Glocke, und der gesamte Raum bebte. »Geht!« schrie der Mann. »Ihr habt Eure Antworten gehört. Ihr müßt gehen, bevor es zu spät ist!« Plötzlich umstanden ein Dutzend gelbgekleideter Männer Mat. Sie schienen einfach aus dem Nichts gekommen zu sein, und nun bemühten sie sich, ihn zum Ausgang zu zerren. Er wehrte sich mit Fäusten, Ellenbogen und Knien. »Welches Schicksal? Seng Eure Herzen, welches Schicksal?« Der ganze Raum selbst war es, der nun läutete. Wände und Fußboden bebten, so daß Mat und seine Angreifer beinahe stürzten. »Welches Schicksal?« Die drei standen auf ihren Podesten auf, und er hätte nicht sagen können, welches von ihnen hektisch welche Antwort schrie. »Die Tochter der Neun Monde zu heiraten!« »Zu sterben und wieder zu leben und noch einmal einen Teil dessen zu erleben, was bereits vergangen war!« »Die Hälfte des Lichts der Welt aufzugeben, um die Welt zu retten!« Gemeinsam heulten sie wie Dampf, der unter hohem Druck entweicht: »Geh nach Rhuidean, Sohn der Schlachten! Geh nach Rhuidean, Täuscher! Geh, Spieler!
Geh!« Mats Angreifer packten ihn an Armen und Beinen und rannten los, wobei sie ihn über ihren Köpfen erhoben trugen. »Laßt mich los, Ihr feigen Ziegensöhne!« schrie er zappelnd. »Seng Eure Augen! Der Schatten soll Eure Seelen holen, laßt mich los! Ich verarbeite Eure Gedärme zu Sattelgurten!« Aber so sehr er sich auch wand und fluchte, diese langen Finger ließen in ihrem eisernen Griff nicht locker.
Noch zweimal schlug die Glocke an oder auch das ganze Schloß - wie man es betrachten wollte. Alles zitterte wie in einem Erdbeben. Die Wände dröhnten unter ohrenbetäubenden Erschütterungen, jedesmal lauter als zuvor. Mats ›Träger‹ stolperten dahin, stürzten beinahe, hielten aber in ihrem wilden Rennen nicht inne. Er sah noch nicht einmal, wohin sie ihn brachten, bis sie mit einem Mal stehen blieben, ihn erst sinken ließen und ihn dann emporwarfen. Da erblickte er die verdrehte Tür, den Ter'Angreal, über deren Schwelle er im nächsten Moment flog.
Weißes Licht blendete ihn, und Donner erfüllte seinen Kopf, bis er jeden klaren Gedanken vertrieben hatte.
Er stürzte schwer auf staubigen Boden unter trüber Beleuchtung und rollte hart gegen das Faß, auf dem er in der Großen Sammlung seine Lampe abgestellt hatte. Das Faß schaukelte. Pakete und Statuen stürzten krachend herunter; Stein und Elfenbein und Porzellan zersplitterten. Er sprang auf und warf sich zurück auf den steinernen Türrahmen zu. »Seng mich, Ihr könnt mich nicht einfach herauswerfen...!« Er taumelte durch - und prallte gegen die Kisten und Fässer auf der anderen Seite. Ohne Luft zu holen, drehte er sich um und sprang noch einmal hindurch. Mit dem gleichen Ergebnis. Diesmal fing er sich und hielt sich an dem Faß mit seiner Lampe fest. Die Lampe wäre beinahe auf die sowieso schon zerbrochenen Sachen vor seinen Stiefeln gefallen. Diesmal jedoch packte er sie rechtzeitig, verbrannte sich die Finger
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