Der Schatten erhebt sich
zu, und es ist nichts mehr aus ihr herauszubringen.« Mat sah aus, als sei ihm schlecht.
Rand verzog das Gesicht nicht und ließ sich nichts von seiner augenblicklichen Scham anmerken. Er hatte seine Freunde nicht ängstigen wollen. »Es gibt dort einen Portalstein«, beharrte er. Er rieb erneut über den harten Umriß in seinem Beutel. Es mußte funktionieren.
Die Landkarten des Bibliothekars waren alt gewesen, aber auf gewisse Weise war das hilfreich. Als man diese Karten zeichnete, waren auf dem Steppenland, das sie durchritten, Wälder gewachsen, aber heute waren nur wenige Bäume übrig, weit verstreute und zerzauste Grüppchen von weißen Eichen und Kiefern und Jungfernhaar, und hohe, einzelnstehende Bäume, die er nicht kannte, mit dünnen, verkrüppelt wirkenden Stämmen. Er konnte die Form des Landes gut ausmachen. Die Hügel wurden jetzt von dem hohen Gras kaum noch verborgen.
Auf den Landkarten hatten zwei gekrümmte Bergrücken, einer knapp hinter dem anderen, auf eine Gruppe runder Hügel gezeigt, wo sich der Portalstein befand. Falls die Karten genau waren. Falls der Bibliothekar wirklich nach seinen Beschreibungen die Portalsteine erkannt hatte, und falls das Zeichen des grünen Diamanten wirklich uralte Ruinen bedeutete, wie er behauptet hatte. Warum sollte er lügen? Ich bin viel zu mißtrauisch. Nein. Ich muß schon mißtrauisch sein. So vertrauensvoll und kalt wie eine Viper. Es paßte ihm aber gar nicht.
Im Norden konnte er gerade noch völlig von Bäumen freie Hügel erkennen, auf denen sich Umrisse bewegten. Das mußten Pferde sein. Die Herden der Hochlords, die dort auf dem Gebiet des früheren Ogierhains grasten. Er hoffte, daß Perrin und Loial sicher davongekommen waren. Hilf ihnen, Perrin, dachte er. Hilf ihnen irgendwie, denn ich kann es nicht.
Der Ogierhain bedeutete, daß die gekrümmt verlaufenden Bergrücken nahe sein mußten, und bald entdeckte er sie auch ein wenig weiter südlich, wie zwei Pfeile, einer innerhalb des anderen, mit ein paar Bäumen obenauf, die eine dünne Linie am Horizont zogen. Dahinter sah er eine Gruppe von niedrigen, runden Hügeln, die sich gegenseitig verdeckten. Mehr Hügel als auf der alten Karte. Zu viele, denn die ganze Fläche umschloß weniger als eine Quadratmeile. Wenn sie nicht mit der Karte übereinstimmten - auf welchem stand dann der Portalstein?
»Es sind doch viele Aiel dabei«, sagte Lan ruhig, »und sie haben scharfe Augen.« Mit einem dankbaren Nicken zog Rand an Jeade'ens Zügeln und ließ sich zurückfallen, um das Problem mit Rhuarc durchzusprechen. Er beschrieb ihm lediglich den Portalstein, ohne zu sagen, worum es sich handelte, denn dazu war noch genug Zeit, wenn sie ihn einmal gefunden hatten. Er konnte Geheimnisse mittlerweile gut für sich behalten. Rhuarc hatte wahrscheinlich sowieso keine Ahnung, was ein Portalstein war. Das wußten nur wenige außer den Aes Sedai. Er hatte auch nichts davon gewußt, bis es ihm jemand erklärt hatte.
Als er neben dem Apfelschimmelhengst herschritt, runzelte der Aielmann leicht die Stirn. Bei den meisten Männern wäre daraus eine besorgte Miene geworden, doch er zeigte ansonsten keine Regung und nickte bloß. »Wir können dieses Ding finden.« Er erhob seine Stimme. »Aehtan Dor! Far Aldazar Din! Duadhe Mahdi'in! Far Dareis Mai! Seia Doon! Sha'mad Conde!«
Als er sie so rief, traten Mitglieder dieser Kriegergemeinschaften vor, bis ein gutes Viertel der Aiel ihn und Rand umstand. Rote Schilde. Brüder der Adler. Wassersucher. Töchter des Speers. Schwarzaugen. Donnergänger.
Rand suchte nach Egwenes Freundin Aviendha, einer großen, hübschen Frau mit einem verschleierten Blick, die selten lächelte. Töchter hatten seine Tür bewacht, aber er glaubte nicht, daß er sie schon einmal gesehen habe, bevor sich die Aiel versammelten, um den Stein zu verlassen. Sie erwiderte seinen Blick, stolz wie ein grünäugiger Habicht, doch dann warf sie den Kopf hoch und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Clanhäuptling zu.
Nun, ich wollte ja wieder ein ganz gewöhnlicher Mensch sein, dachte er mit einem Anflug von Reue. Dieses Gefühl gaben ihm die Aiel. Selbst dem Clanhäuptling brachten sie nur respektvolles Zuhören dar und nichts von der ausgefeilten Unterwürfigkeit, die ein Lord von seinen Untergebenen verlangt hätte. Ihr Gehorsam war der von Gleichgestellten. Er konnte sich selbst gegenüber kaum mehr erwarten.
Rhuarc gab mit wenigen Worten seine Anweisungen, und die lauschenden Aiel schwärmten
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