Der Schatten erhebt sich
behandeln.
»Geht es dir gut, Loial?« fragte Perrin. »Bist du verletzt?« Der Ogier rappelte sich mit sichtlicher Anstrengung hoch und stand einen Moment lang schwankend da, wie ein Baum vor dem Sturz. Seine Ohren hingen noch immer schlapp herunter. »Nein, ich bin unverletzt, Perrin. Nur müde. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich bin eben schon eine lange Zeit aus dem Stedding weg. Besuche dort reichen nicht aus.« Er schüttelte den Kopf, als habe er sich wieder beim Abschweifen ertappt. Seine breite Hand bedeckte Perrins Schulter. »Wenn ich ein bißchen geschlafen habe, geht es mir wieder gut.« Er senkte die Stimme. Jedenfalls für einen Ogier war dieses Hummelgebrumm durchaus leise. »Draußen sind die Zustände sehr schlimm, Perrin. Die meiste Zeit über sind wir den letzten Horden aus den Bergen hinunter gefolgt. Wir haben das Wegetor verschlossen, aber ich glaube, es befinden sich bereits mehrere tausend Trollocs an den Zwei Flüssen und dazu vielleicht noch fünfzig Myrddraal.« »Keineswegs«, verkündete Luc lauthals. Er war am Dorfrand entlanggaloppiert und kam aus der Gegend der Nordstraße. Er riß an den Zügeln und sein schwarzer Hengst bäumte sich auf, als er mit einem Ruck stehenbleiben mußte. Er schlug mit den Vorderhufen in die Luft. Der Auftritt eines Angebers...»Zweifellos beherrscht Ihr es prächtig, Ogier, Bäume zu besingen, aber gegen Trollocs zu kämpfen ist doch etwas anderes. Ich schätze, es sind mittlerweile weniger als tausend. Ganz sicher eine formidable Streitmacht, aber nichts, womit diese festen Verteidigungsanlagen und tapferen Männer nicht fertigwerden könnten. Hier ist noch eine Trophäe für Eure Sammlung, Lord Perrin Goldauge.« Lachend warf er Perrin einen prall gefüllten Stoffbeutel zu. Die Unterseite glänzte feucht und dunkel im Mondschein.
Perrin fing den Beutel auf und warf ihn trotz seines Gewichts in hohem Bogen über die Pfähle nach draußen. Zweifellos befanden sich vier oder fünf Trollocköpfe darin und vielleicht noch der eines Myrddraal. Der Mann brachte jeden Abend seine Trophäen herein und schien immer noch zu erwarten, daß man sie aufstellte und bewunderte. In der Nacht, als er mit einem Paar von Myrddraalköpfen hereingekommen war, hatten einige Coplins und Congars ein Fest für ihn veranstaltet.
»Verstehe ich etwa auch nichts vom Kämpfen?« meldete sich Gaul zu Wort. Er kam mühsam auf die Beine. »Ich sage, es sind mehrere tausend.« Luc zeigte beim Lächeln seine Zähne. »Wie viele Tage habt Ihr in der Fäule verbracht, Aiel? Ich war lange dort.« Vielleicht war es mehr eine Grimasse als ein Lächeln. »Lange. Glaubt, was Ihr wollt, Goldauge. Die endlosen Tage werden bringen, was sie eben bringen, wie es immer war.« Er riß den Hengst schon wieder auf die Hinterhand hoch, ließ ihn herumwirbeln und galoppierte zwischen den Häusern und den Bäumen, die einst den Rand des Westwalds gebildet hatten, in das Dorf hinein. Die Männer blickten ihm nervös hinterher oder spähten wieder in die Dunkelheit hinein.
»Er hat unrecht«, sagte Loial. »Gaul und ich haben es eindeutig so gesehen.« Seine Gesichtszüge wirkten schlaff und erschöpft, die Mundwinkel waren heruntergezogen und die langen Augenbrauen baumelten ihm auf die Wangen. Kein Wunder, wenn er Gaul drei oder vier Tage lang getragen hatte.
»Du hast eine Menge getan, Loial«, sagte Perrin. »Ihr beide habt etwas Großes vollbracht. Etwas Bedeutendes. Ich fürchte, in Euren Schlafzimmern liegen jetzt jeweils ein halbes Dutzend Kesselflicker, aber Frau al'Vere wird Euch schon ein Lager bereiten. Es ist Zeit, daß Ihr den Schlaf bekommt, den Ihr braucht.« »Und für dich ist es auch allerhöchste Zeit, Perrin Aybara!« Schnell treibende Wolken ließen Schatten über Failes prägnante Nase und die hohen Backenknochen tanzen. Sie war so schön! Aber ihre Stimme war knallhart: »Wenn du jetzt nicht schlafen gehst, lasse ich dich von Loial schleppen. Du kannst ja kaum noch stehen!« Gaul hatte Schwierigkeiten, mit seinem verwundeten Bein zu gehen. Bain stützte ihn auf einer Seite. Er versuchte, Chiad davon abzuhalten, seinen anderen Arm zu nehmen, aber sie murmelte drohend etwas, das wie ›Gai'schain‹ klang, und Bain lachte, und dann erlaubte der Aielmann beiden, ihm zu helfen, wobei er wütend in sich hineingrollte. Wovon die Töchter des Speers da auch sprechen mochten, jedenfalls hatten sie Gaul damit am Gängelband.
Tomas klopfte Perrin auf die Schulter. »Geht, Mann. Jeder
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