Der Schatten erhebt sich
entscheiden, sie genauso zu verwenden, wie es die Schwarzen Ajah vorgehabt hatten. Um Rand unter ihre Kontrolle zu bringen. Würde Moiraine das wirklich tun? Oder Siuan Sanche? Sie konnte ein solches Risiko nicht eingehen. »Das ist alles zu gefährlich, als daß wir riskieren könnten, es jemals wieder in die Hände von Schattenfreunden fallen zu lassen. Elayne, kannst du die Sachen zerstören? Vielleicht schmelzen? Es ist mir gleich, ob der Tisch mit draufgeht. Wenn du sie nur zerstörst!« »Ich verstehe«, sagte Elayne, wobei sie das Gesicht verzog. Nynaeve bezweifelte das, denn Elayne stand mit ganzem Herzen hinter der Burg, aber sie stand auch hinter Rand.
Nynaeve konnte im Moment natürlich das Glühen Saidars nicht wahrnehmen, aber die eindringliche Art, wie das Mädchen diese furchtbaren Objekte anblickte, zeigte deutlich, daß sie die Macht einsetzte. Elayne runzelte die Stirn. Ihr Blick wurde womöglich noch eindringlicher. Mit einemmal schüttelte sie den Kopf. Ihre Hand schwebte einen Augenblick lang in der Nähe eines der Armbänder, und dann hob sie es auf. Und ließ es mit einem Keuchen wieder fallen. »Es ist ein Gefühl... Es ist so voll von...« Sie atmete tief ein und sagte dann: »Ich habe versucht, was du wolltest, Nynaeve. Ein Hammer würde zu einer Pfütze schmelzen, soviel Feuer habe ich hineingewebt, aber es ist nicht einmal warm geworden.« Also hatte Moghedien nicht gelogen. Zweifellos hatte sie geglaubt, gar nicht lügen zu müssen, weil sie sowieso siegen werde. Wie ist diese Frau nur freigekommen? Was sollten sie jetzt mit diesen Gegenständen anfangen? Sie würde sie in niemandes Hände fallen lassen, soviel stand fest.
»Meister Domon, kennt Ihr ein sehr tiefes Gebiet des Meeres unweit dieser Küste?« »Ja, ich kennen eines, Frau al'Meara«, sagte er bedächtig.
Vorsichtig, um nicht zuviel von diesem Schwall an Gefühlen abzubekommen, schob Nynaeve Halsband und Armbänder über den Tisch zu ihm hin. »Dann versenkt die hier dort, wo niemand sie jemals mehr herausfischen kann.« Nach einem Augenblick der Überlegung nickte er. »Ich werden das tun.« Er stopfte alles hastig in seine Tasche, da er offensichtlich nicht gern mit Dingen zu tun hatte, die durch die Macht erschaffen worden waren. »Im tiefsten Teil des Meeres, den ich kennen, in der Nähe der Aile Somera.« Egeanin blickte finster zu Boden, zweifellos der drohenden Abreise des Illianers wegen. Nynaeve hatte nicht vergessen, daß sie ihn bewundernd als einen ›gut aussehenden Mann‹ bezeichnet hatte. Sie hatte das Gefühl, lachen zu müssen. Es war fast alles geschafft. Sobald Domon auslaufen konnte, würden das unheilvolle Halsband und die Armbänder für immer verschwunden sein. Dann konnten sie nach Tar Valon abreisen. Und dann... Dann zurück nach Tear oder wo auch immer sich al'Lan Mandragoran befand. Die Tatsache, daß sie Moghedien gegenübergestanden hatte, daß sie dem Tod oder noch Schlimmerem nahe gewesen war, machte es für sie noch dringlicher, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Ein Mann, den sie mit einer ihr verhaßten Frau teilen mußte, aber wenn Egeanin einem Mann schöne Augen machen konnte, den sie einmal gefangengenommen hatte - nun, und Domon hatte ganz gewiß auch ein Auge auf sie geworfen -, und wenn Elayne einen Mann lieben konnte, der einst dem Wahnsinn verfallen würde, dann würde sie doch wohl auch in der Lage sein, einen Weg zu finden, soviel wie möglich von Lan zu haben.
»Sollen wir hinuntergehen und nachsehen, wie sich ›Thera‹ als Dienerin macht?« schlug sie vor. Und bald nach Tar Valon. Bald.
KAPITEL
56
Goldauge
I m Schankraum der Weinquellenschenke war es still bis auf das Schaben von Perrins Feder. Still und leer, bis auf ihn und Aram. Der Sonnenschein dieses späten Vormittags erzeugte helle Lichtflecke auf dem Boden unter den Fenstern. Aus der Küche drangen nicht die üblichen Düfte. Nirgendwo im Dorf hatte man die Feuer angezündet, und selbst die in der Asche noch glühenden Kohlen hatte man gelöscht. Man mußte ja nicht gleich dem Gegner das Geschenk des Feuers anbieten, damit er die Häuser um so leichter abbrennen konnte. Der Kesselflicker - er fragte sich manchmal, ob es noch richtig sei, von Aram als einem solchen zu denken, aber ein Mann hörte nicht so einfach auf, zu sein, was er war, Schwert oder nicht - stand an der Wand neben der Eingangstür und beobachtete Perrin. Was erwartete der Mann? Was wollte er? Perrin stippte die Feder in das kleine Tintenfaß aus
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