Der Schatten erhebt sich
Bornhald!« protestierte Byar.
»Sauber!« brüllte ihn Bornhald an. »Wenn wir hier sterben müssen, dann sterben wir wenigstens sauber!« Er riß seinen Kopf herum und blickte zu Perrin zurück. Auf seinen Lippen stand Speichel. »Wir bleiben. Aber am Ende werde ich Euch sterben sehen, Schattenfreund! Für meine Familie, für meinen Vater, will - ich - Euch - tot - sehen!« Er riß sein Pferd grob herum und galoppierte zurück zu seiner weiß gekleideten Kolonne. Byar bleckte seine Zähne in wortlosem Knurren in Perrins Richtung, und dann folgte er dem anderen.
»Ihr wollt doch nicht wirklich Euer Versprechen halten?« fragte Aram verschüchtert. »Das könnt Ihr nicht!« »Ich muß jeden Posten überprüfen«, sagte Perrin. Die Chance, daß er überleben und dieses Versprechen erfüllen könnte, war nicht gerade groß. »Es ist nicht viel Zeit.« Er ließ Traber die Fersen spüren, und das Pferd galoppierte los in Richtung des westlichen Dorfrandes.
Hinter den spitzen Pfählen dem Westwald gegenüber kauerten Männer mit ihren Speeren und Hellebarden und anderen Arten von Spießen, wie sie Haral Luhhan für sie angefertigt hatte. Der war auch da, angetan mit seiner langen Lederweste und mit einer Sichel, die er auf einen acht Fuß langen Schaft gesteckt hatte. Hinter ihnen standen die Bogenschützen in Reihen, die nur von den vier Katapulten unterbrochen wurden. Abell Cauthon schritt langsam die Ränge ab und sprach mit jedem Mann.
Perrin ließ sein Pferd neben Abell stehenbleiben. »Die Nachricht kam durch, daß sie aus dem Norden und aus dem Süden gleichzeitig kommen«, sagte er leise. »Aber beobachtet alles trotzdem ganz genau.« »Wir werden die Augen aufmachen. Und ich bin auch bereit, die Hälfte meiner Männer überall dorthin zu schicken, wo sie gebraucht werden. Sie werden sich an den Männern der Zwei Flüsse ganz schön die Zähne ausbeißen.« Abells Grinsen erinnerte stark an das seines Sohnes.
Es machte Perrin verlegen, als die Männer ihm rauh zujubelten, während er vorbeiritt, die ›Kameraden‹ und die Flagge hinter sich: »Goldauge! Goldauge!« Hier und da hörte man auch: »Lord Perrin!« Ihm war klar, daß er das von Beginn an energisch hätte unterdrücken müssen.
Im Süden war Tams Bezirk. Sein Gesicht wirkte grimmiger als das Abells, und er schritt beinahe wie ein Behüter die Ränge ab, immer eine Hand auf dem Schwertgriff. Die wölfische, tödliche Eleganz wirkte fremdartig an dem stämmigen, grauhaarigen Bauern. Doch das, was er zu Perrin sagte, unterschied sich kaum von Abells Worten: »Wir Leute von den Zwei Flüssen sind zäher, als den meisten klar ist«, sagte er leise. »Mach dir keine Sorgen: Wir werden uns heute teuer verkaufen.« Alanna stand an einem der hier aufgebauten sechs Katapulte und kümmerte sich gerade um einen mächtigen Steinbrocken, der in die Schale am Ende des dicken Holzarms gelegt werden sollte. In ihrer Nähe saß Ihvon in seinem farbenändernden Behüterumhang auf dem Pferd, schlank wie eine Stahlklinge und wachsam wie ein Habicht. Es gab keinen Zweifel daran, daß er seinen Standort, selbstverständlich bei Alanna, sorgfältig gewählt hatte, und daß er alles daransetzen würde, sie lebend hier herauszubringen. Er sah kaum zu Perrin hinüber. Doch die Aes Sedai unterbrach ihre Tätigkeit. Ihre Hände schwebten über dem Stein, aber ihre Blicke folgten ihm, als er vorbeiritt. Er konnte fast fühlen, wie sie kalkulierte und abwog und urteilte. Auch der Jubel folgte ihm.
Wo der Pfahlwald die wenigen Häuser östlich der Weinquellenschenke hinter sich ließ, waren Jon Thane und Samel Crawe gemeinsam verantwortlich. Perrin sagte ihnen dasselbe, was er Abell gesagt hatte, und er bekam so ziemlich die gleiche Antwort. Jon, der ein Kettenhemd mit einigen durchgerosteten Stellen übergeworfen hatte, hatte den Qualm seiner brennenden Mühle gesehen, und Samel mit dem Pferdegesicht und der langen Nase war sicher, daß der Rauch einer weiter draußen befindlichen Qualmwolke von seinem Hof stamme. Keiner von ihnen erwartete einen leichten Tag, aber beide trugen ihre eiserne Entschlossenheit wie einen Umhang.
Perrin hatte sich entschlossen, selbst den Norden zu übernehmen. Er fühlte nach dem Band, das ihm über ein Revers herunterhing, und spähte in Richtung Wachhügel, der Richtung, in die Faile geritten war. Dabei fragte er sich, warum er ausgerechnet die Nordseite gewählt hatte. Flieg nur, Faile. Flieg, mein Herz. Na ja, es war ein ebenso guter Ort zum
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