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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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»Verschiedene. Es kommt auf die Umstände an. Wenn
ich die Wahl habe, mache ich es mit dem Messer. Das ist
eine Frage des Handwerks. «
»Und das Handwerk ist wichtig für Sie?«
»Ich lege Wert auf eine saubere Ausführung, wie wohl
jeder, der eine Tätigkeit professionell ausübt. «
»Da haben Sie Recht. Ich beschäftige gewöhnlich zwei
Männer, die leider von solchen Maßstäben weit entfernt
sind. Einen solchen Auftrag könnte ich denen nie
anvertrauen. Sagen Sie mir doch noch, wie Ihre Pläne für
die Zukunft aussehen. «
»Nun, ich bin ehrgeizig, Mr. Windlesham«, erklärte der
junge Mann. »In London und auf dem europäischen
Festland gibt es zwar einen sicheren Markt, aber nichts
Großes. Ich glaube daher, dass meine Zukunft auf der
anderen Seite des Atlantiks liegt. Ich war schon
mehrmals drüben und bewundere die Amerikaner sehr.
Ich mag die Menschen und ihre Art zu leben. Dort könnte
ich ein gutes Leben führen. Ich habe schon ein bisschen
gespart. Mit dem Honorar für diesen Auftrag und ein
paar weiteren dürfte es für Amerika reichen.
Warum fragen Sie? Hat Ihre, äh, Firma vielleicht in
näherer Zukunft weitere Angebote für einen Mann mit
meiner Berufserfahrung?«
»Oh ja, durchaus«, sagte Mr. Windlesham, dessen
Goldrandbrille funkelte.
»Wer ist die Person, die beseitigt werden soll?«, fragte
Mr. Brown und hielt Notizbuch und Stift bereit.
»Es handelt sich um eine junge Frau«, erläuterte Mr.
Windlesham, »mit einem großen Hund. «
EIN GROSSES NEUES WERK ZUM WOHL
DER MENSCHHEIT
    Sally wachte bedrückt und unglücklich auf. Wie zum
Hohn grüßte sie der Morgen mit einem Wetter, das eher
an April als an November denken ließ: strahlend hell und
warm, mit Wattewölkchen, die durch einen weiten blauen
Himmel segelten. Zum Frühstück mit Isabel gab es
Schinken, Eier und Toast. Dann ließ sie ihre neue
Mitbewohnerin in Chakas Obhut und machte sich auf den
Weg nach Muswell Hill.
    Mrs. Seddon, die in Cromwell Gardens wohnte, stellte
sich als eine sympathische Dame um die Vierzig heraus.
Sie bat Sally in ihr kleines Wohnzimmer und war ganz
entzückt zu erfahren, dass ihre Schülerin Miss Lewis nun
in London lebte.
    »Sie war immer solch ein aufgewecktes Mädchen! Ich
hoffe sehr, dass sie mich einmal besuchen kommt... Ja,
was kann ich für Sie tun, Miss Lockhart?«
    Sally setzte sich und war im Stillen froh, Chaka nicht
mitgebracht zu haben, denn er hätte sich in Mrs. Seddons
Wohnzimmer nicht ausstrecken können. Die beiden
Frauen konnten nicht gemeinsam auf dem Sofa sitzen,
weil die vielen gehäkelten Kissen so viel Platz
einnahmen. Mrs. Seddon setzte sich an den Tisch im
Erker unter eine große Schusterpalme. Alle Möbel hatten
Schonbezüge oder Dekorationen: auf dem Sofa drei
bestickte Sofaschoner, über dem Tisch zwei verschiedene
Tischdecken, auf der Fensterbank ein Zierdeckchen,
selbst das Vogelbauer zierte eine gekräuselte Borte. An
der Wand hing eine eingerahmte Stickerei, auf der zu
lesen stand: Trautes Heim, Glück allein.
    Sally stellte ihre Tasche neben sich und begann zu
erzählen. »Ich versuche so viel wie möglich über die
Firma North Star herauszufinden. Jemand, den ich kenne,
hat seine gesamte Geldanlage in einer Firma verloren,
die, wie ich glaube, mit North Star in Verbindung stand.
Jetzt versuche ich die Zusammenhänge zu rekonstruieren.
Wie ich gehört habe, hat ihr Bruder für North Star
gearbeitet. « Mrs. Seddon runzelte die Stirn. »Ja, in
gewisser Weise schon... Ist das ein juristischer Fall, Miss
Lockhart? Ich meine, arbeiten Sie in eigener Sache oder
für einen Mandanten?«
    »Ich vertrete meine Klientin«, sagte Sally, ein wenig
überrascht von Mrs. Seddons Misstrauen. »Ich selbst
arbeite als Finanzberaterin. « Mrs. Seddon machte eine
verblüffte Miene. »Tja, wissen Sie«, stammelte sie, »ich
habe noch nie gehört, dass... « Sie wollte den Satz nicht
zu Ende bringen und schaute verwirrt beiseite. »... dass
Frauen auch Finanzberatungen machen? Da geht es Ihnen
wie den meisten Leuten. Aber ich kann Ihnen versichern,
dass es tatsächlich so ist. Auf diese Weise habe ich
übrigens auch ihre ehemalige Schülerin Miss Lewis
kennen gelernt. Wenn Sie mir sagen wollen, was Sie über
die Firma North Star wissen, könnte mir das nützen,
meiner Klientin wieder zu ihrem Geld zu verhelfen. War
etwas faul an der Firma?«
    »Ja... ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll.
Faul? Ja, vermutlich schon. Mein Bruder Sidney, also
Mr. Paton, ist durch die Firma beruflich

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