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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Zukunft in
Frieden und Wohlstand, über ein großes neues Werk zum
Wohl der Menschheit und dergleichen mehr. Jedem
wurden eine lebenslange Anstellung, eine Rente und eine
neue Wohnung versprochen, wenn er den Vertrag hier
und jetzt unterschreibe. Ja, und dann sollten sie als
Gegenleistung für diese Wohltaten (und so etwas wie
eine Versicherung im Krankheitsfall boten sie auch noch
an) aus der Gewerkschaft austreten und sich vertraglich
verpflichten, nicht zu streiken. Nun, die meisten Männer
griffen zu und unterschrieben. Der Vertrag enthielt auch
eine Verschwiegenheitsklausel --- ich weiß nicht, ob das
mit dem Gesetz vereinbar war, aber ein Rechtsanwalt war
auch dabei und erläuterte alles, berichtete Sidney. Erst
später ging ihm auf, wie seltsam es zugegangen war.
    Einige Männer bewiesen aber doch eine gewisse
Umsicht, und zu ihnen gehörte auch Sidney. Sie fragten,
ob sie einen Tag Bedenkzeit haben könnten. Freilich
könnten sie das, sagte der Geschäftsführer. >Wir wollen
niemanden zwingen<, hieß es. >Freie Wahl für jeden.
Überlegt es euch eine Woche lang, aber denkt daran, ihr
seid unsere besten Männer, es täte uns Leid, euch zu
verlieren. < Und so weiter. Mit einem Wort, man
schmeichelte ihnen.
    Dann ging mein Bruder heim und besprach alles mit
seiner Frau. Wie er hatten vielleicht ein halbes Dutzend
Männer um Bedenkzeit gebeten, aber am folgenden Tag
gingen fast alle zur Direktion und unterschrieben den
Vertrag. Die Gewerkschaft versuchte von dem Vertrag
abzuraten, aber was konnte sie im Vergleich zur
Geschäftsleitung schon bieten?
    Dann aber hörte Sidney etwas von einem Freund aus
dem so genannten Arbeiterbildungsverein. Die Nachricht
ging um, die neue Geschäftsleitung habe ein Interesse an
einer anderen Firma bekundet, an der Eisengießerei
Furness. Danach solle ein Plan bestehen, die Firmen zu
fusionieren, und das wäre ein großes Werk zum Wohl der
Menschheit und würde Frieden und Wohlstand für die
ganze Welt bringen.
    Nur müssen Sie wissen, dass mein Bruder Pazifist ist.
Der hat nichts für Krieg und Gewalt welcher Art auch
immer übrig. Er ist wie ich protestantisch erzogen
worden, entwickelte aber bald nach seiner Heirat eine
Neigung für die Quäker, allerdings ohne Mitglied - sie
nennen es, glaube ich, Freund - zu werden.
Wahrscheinlich deswegen blieb es dem Stab der
Geschäftsleitung verborgen, sonst hätten sie ihn
sicherlich schon früher hinausgeworfen. Ein Name wie
Eisengießerei Furness mag harmlos klingen, aber was sie
herstellen, sind Kanonen. Ein Rüstungsbetrieb mit
anderen Worten. Aus diesem Grund sagte mein Bruder
>nein danke<, er wolle da nicht mitmachen. Er wurde
ausbezahlt, und seither ist er ohne Arbeit. Ich schicke
ihm hin und wieder etwas Geld, wenn ich es einrichten
kann.
    Ja, und damit wäre ich am Ende meiner Erzählung. Die
Firmen haben fusioniert und heißen jetzt nicht mehr
Eisengießerei Furness oder Lokomotivfabrik Walker und
Söhne, sondern North Star. Mehr weiß ich darüber nicht.
« Sally hätte am liebsten applaudiert.
    Jetzt hatte sie zum ersten Mal einen sicheren Hinweis
auf Bellmanns Geschäfte --- Kanonen, Rüstungsgüter...
»Mrs. Seddon, Sie sind mir eine große Hilfe«, sagte sie.
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie nützlich das für
mich ist. Eine Frage habe ich aber noch: Hat Ihr Bruder
jemals etwas erwähnt, was >Hopkinsonscher
Selbstregulator< genannt wird?« Mrs. Seddon machte
eine zweifelnde Miene. »Vielleicht hat er es, aber ich
kann mich nicht daran erinnern«, sagte sie. »Wir haben
nie viel über technische Dinge gesprochen... Was soll das
sein?« »Ich weiß es nicht. Das gehört zu den Dingen, die
ich noch in Erfahrung bringen muss. Dabei kommt mir
der Gedanke - könnte ich Ihren Bruder besuchen und
selbst mit ihm sprechen? Wo wohnt er?«
»Ich gebe Ihnen seine Adresse. Aber... Ich weiß nicht
recht, Miss Lockhart, vielleicht hätte ich Ihnen das alles
gar nicht erzählen sollen. Eigentlich ist das nicht meine
Sache... «
»Niemand hat Sie gefragt, eine
Verschwiegenheitsklausel zu unterschreiben, Mrs.
Seddon. Und selbst wenn man das getan hätte, bezweifle
ich sehr, dass so etwas vom Gesetz erlaubt ist. Leute
machen so etwas nur, wenn sie etwa Unrechtes im
Schilde führen. Ich finde, dass Ihr Bruder ganz richtig
gehandelt hat. Deswegen würde ich gern in den Norden
fahren und mit ihm reden. « Mrs. Seddon öffnete ein
Fach ihres kleinen Schreibtisches, tauchte die Feder in
Tinte und schrieb Name und Adresse ihres

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