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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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musste sich gut mit ihr stellen, denn ihre Bücher rangierten im oberen Bereich der Verkaufslisten. Aber sie war launenhaft und fordernd, wollte ständig hofiert werden.
    Als Jill das nächste Mal kam, war die Stimmung im Verlag eine völlig andere. Überall waren deutliche Zeichen von Aufbruch zu erkennen. Sie stieß gleich auf Berits Chef, den Verleger Curt Lüding. Er stand nämlich mitten im Korridor und war damit beschäftigt, Umzugskartons auseinanderzufalten. Er öffnete ihr die Tür, als sie klingelte. Die Ärmel seines weißen Oberhemds waren offen, und in seinem Haar hingen Staubflusen.
    »Wen suchen Sie?«
    »Berit«, entfuhr es ihr, »nein, ich meine … ich bin eine Freundin von Berit.«
    Er ließ den Umzugskarton fallen und sank in sich zusammen.
    »Berit, ja«, murmelte er etwas zerstreut. Dann fragte er interessierter: »Haben Sie etwas gehört? Etwas Positives? Sagen Sie bitte, dass es so ist!«
    »Leider nein.«
    »Wenn ich nur wüsste, was diese Frau im Sinn hat. Glauben Sie, sie könnte sich so verhalten, um mir eins auszuwischen?«
    Jill schüttelte den Kopf.
    »Sie wissen ja, wir werden umziehen, der ganze Verlag zieht in den Norden, nach Luleå. Ich sehe ja ein, dass das Ganze für einige recht überraschend kam. Berit zum Beispiel ist explodiert, als ich es angekündigt habe, sie wurde richtiggehend stinksauer.« Er fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Oberlippe. Runzelte die Stirn. Ihr fiel auf, dass seine Brillengläser dringend geputzt werden mussten.
    »Ich gehe nur ein wenig herum und schaue mich um«, sagte sie matt. »Vielleicht fällt mir ja etwas auf, vielleicht weiß jemand irgendetwas, das einen möglichen Hinweis darauf geben könnte, was geschehen ist.«
    »Sie selber wissen also nichts?«
    »Nein. Es ist nur einfach so. dass ich es nicht aushalte, dazusitzen und zu warten.«
    »Ich verstehe. Das ist wirklich aufreibend. Aber sagen Sie mal, sie ist doch offenbar am Sonntag nach Hässelby rausgefahren und wollte, wenn ich es richtig verstanden habe, nach dem Grab ihrer Eltern sehen?«
    »Ja, das habe ich auch gehört.«
    »Tja, und dann diese Frau, Justine Dalvik. Warum hat sie sie eigentlich besucht?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Jill und ihr Magen zog sich zusammen. »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
    »Ich dachte, dass sie möglicherweise ein Buchprojekt initiieren wollte.«
    »Inwiefern?«
    »Ein faszinierendes Frauenschicksal. Die Tochter des Sandykönigs, allein schon das. Und als i-Tüpfelchen diese katastrophale Dschungelexkursion, an der sie teilgenommen hat. Waren nicht zwei Personen während der Reise verunglückt? Dieses Mädchen, wie hieß sie noch, Martina, glaube ich. Sie war die Tochter von Mats H. Andersson, dem Konzertpianisten. Und dann der Leiter der Gruppe, Nathan irgendwas. Ihn hat es ebenfalls erwischt. Er ist einfach verschwunden. Eine unangenehme Geschichte. Es stand ja einiges darüber in den Zeitungen, wie Sie bestimmt gesehen haben. Vielleicht hatte Berit vor, ein Buch über diese Frau Dalvik zu machen. Manchmal hat sie solche Anwandlungen, brütet über irgendwelchen Projekten, ohne etwas davon zu erwähnen. Geheimnistuerisch wie nur was. Und dann plötzlich ist es der Knüller. Sie kann ganz schön sauer werden, sag ich Ihnen, wenn man dann nicht ebenso viel Enthusiasmus aufweist wie sie.«
    Annie kam aus ihrem Zimmer. Sie trug einen weiten, altmodischen Rock und eine geblümte Schürze darüber. Im Arm hatte sie einen Stapel Bücher.
    »Willst du die hier mitnehmen?«, fragte sie müde und hielt Curt Lüding die Bücher hin.
    »Annie, ich …« Er machte eine flehende Geste. »Schmeiß den ganzen Mist weg. Die haben schon lange ausgedient. Oder sollte man sie doch besser verschenken? An irgendein Krankenhaus vielleicht? Aber die Krankenhausbüchereien sind ja wohl allesamt geschlossen worden, oder, nein, ich weiß nicht, mach, was du denkst.«
    Erst jetzt schien Annie von Jills Anwesenheit Notiz zu nehmen. Ihr Gesicht verlor jegliche Farbe.
    »Hallo«, flüsterte sie. »Du hier? Du hast doch wohl nicht …?«
    »Nein, nein.«
    »Gott sei Dank. Ich habe schon richtig Angst bekommen. Dass du etwas Schreckliches zu berichten hättest.«
    »Ich würde gern ein wenig mit dir reden. Falls du Zeit hast. Ich bin nämlich unterwegs und höre mich ein bisschen um. Ich finde einfach keine Ruhe.«
    Sie saßen in Annies recht chaotisch anmutendem Raum.
    »Hier geht alles drunter und drüber, wie du siehst«, sagte sie tonlos. »Man schafft es

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