Der Schatten im Wasser
trug Zöpfe, hatte helle Sommersprossen auf der Nase und war noch sehr jung.
»Ich kenne Berit, seit wir klein waren, wir gingen in dieselbe Klasse, bis zum Abschluss auf dem Gymnasium.«
»Sie wohnten also im Villenviertel von Hässelby?«
»Ja.«
»Und Tor, ihr Mann?«
»Er trat erst viel später in Erscheinung.«
»Aha. Wissen Sie, wie die beiden sich kennen lernten?«
»Er besaß ein Boot, einen Motorsegler. Berit arbeitete als Serviererin in einem Café, das war im Sommer, es handelte sich um einen Ferienjob. Und er kam des Öfteren dorthin und trank Kaffee, so trafen sie sich.«
»Was machte sie noch nach dem Abitur? Studierte sie?«
»Ja, sie studierte Sprachen.«
»Aha.«
»Sie wusste nicht so genau, was sie werden wollte. Aber Sprachen kann man eigentlich immer gebrauchen.«
»Sicher. Und dann traf sie Tor Assarsson, und sie wurden ein Paar?«
»Ja.«
»Wie lange waren sie verheiratet?«
Jill dachte nach.
»Seit 1975. Sie fuhren nach Kopenhagen und ließen sich dort trauen. In der Gustafkirche. Eine Freundin und ich waren als Trauzeugen dabei.«
»Mhm. Wie würden Sie ihre Ehe beschreiben?«
Jill zögerte kurz.
»Es war eigentlich eine ganz gewöhnliche Ehe.«
»Wie sieht eine solche Ehe aus?«
»Tja, ich weiß nicht.«
»Viel Streit?«
»Na ja, nicht mehr als der Durchschnitt. Aber ich erinnere mich, dass es am Anfang einige Reibereien gab. Sie wohnten so beengt, als die Kinder kamen. Die Jungs sind nur ein Jahr auseinander. Sie wohnten in Tors kleiner Einzimmerwohnung. Ich fand, dass sie mit den Kindern ruhig hätten warten können, bis sie etwas Größeres gefunden hätten, so sah ich es zumindest. Jetzt hingegen besitzen sie ein großes Haus und sind nur zu zweit. Es hätte eher andersherum sein müssen.« Sie lachte nervös.
»Ja, das leuchtet ein.«
»Ich glaube, sie hatten es ganz passabel miteinander«, fügte Jill noch hinzu.
»Ganz passabel?«
»Man lebt sich auseinander, hat sich nicht mehr so viel zu sagen, wenn die Kinder flügge werden, denke ich. Und dann merkt man plötzlich: Aha, hier stehen wir also.«
»Glauben Sie?«
»Ja. Es wird ruhiger und auch ein wenig langweilig. Die Gefahr besteht eben.«
»Sind Sie selbst verheiratet?«
»Nein. Genau aus diesem Grund«, versuchte Jill zu scherzen. Die Polizistin verzog nicht einmal den Mund.
»Okay«, fuhr sie fort. »Und wie sieht es mit Alkohol aus?«
»Sehr gemäßigt. Wenn es hochkommt, eine Flasche Wein am Samstagabend, kaum mehr.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja, absolut. Hat jemand etwas anderes behauptet?«
»Nein. Aber ich muss mich vergewissern.«
»Ja, natürlich.«
»Hatten Sie jemals Anlass zu glauben, dass Berit sich von ihrem Mann bedroht gefühlt hätte?«
»Von Tor? Nein, nein. Auf keinen Fall.«
»Nein.«
»Tor ist nicht so, er ist ein zuvorkommender, gutmütiger Mensch, er würde niemals …!« Sie erhob die Stimme.
»Ich höre, was Sie sagen. Besitzt er das Boot übrigens noch?«
»Nein, sie haben es verkauft und stattdessen ein Sommerhaus gekauft. Auf Vätö. Aber das wissen Sie bestimmt schon. Ich glaube nicht, dass Berit sich auf dem Boot sehr wohlgefühlt hat.«
»Nicht?«
»Die Kinder kamen ja so früh. Jörgen und Jens. Es ist nicht gerade leicht mit Kleinkindern auf einem Schiff. Und dann, sie fühlte sich … sie wusste einfach zu wenig vom Segeln. Geriet sozusagen in die Position des Unterlegenen. Und das gefiel ihr nicht besonders.«
»Aha. Dann kommen wir zu folgendem Thema. Wie würden Sie Berit Assarsson charakterisieren? Sie, die Sie sie fast ein ganzes Leben lang gekannt haben.«
Jill dachte eine Weile nach.
»Hübsch, selbstsicher, zielstrebig«, sagte sie dann. »Eine typische Leitfigur. Weiß, was sie will, lässt sich von keinem die Butter vom Brot nehmen. Sie kann sehr fürsorglich sein. Ihren Freunden und der Familie gegenüber zuvorkommend. Schickt Postkarten oder kleine Geschenke, wenn man Geburtstag hat. Unterhaltsame Bücher …«
Die Polizistin machte sich in ihrem Block eine Notiz.
»Kam sie Ihnen in der letzten Zeit verändert vor?«
»Wenn ich genauer nachdenke, war sie etwas missmutig. Ziemlich frustriert wegen der Sache mit dem Job. Ihr Verlag wird demnächst nach Norrland umziehen, und sie will auf keinen Fall mitgehen. Ja, sie war regelrecht niedergeschlagen. Sie kann manchmal sehr deprimiert sein, aber das hängt mit ihrem Zyklus zusammen. Das Leben besteht ja aus Höhen und Tiefen. So ist es eben.«
»Glauben Sie, dass sie Feinde hat? Leute, die
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