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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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böswilliger Typ einen versehen hat. Da stellt sich doch die Frage, ob es sich nicht um reine Tierquälerei handelt.«
    »Sie reagieren ja nicht so wie wir«, räumte Tor ein. »Nicht umsonst gibt es doch den Begriff Schafskopf.«
    »Hm.« Sie hielt inne, schälte eine Banane, biss ab und kaute. Zwischen den Steinen am Wasser unternahm eine Schar Bachstelzen Flugübungen. Er schaute ihnen zu.
    »Bald wird es Herbst«, bemerkte sie nach einer Weile. »Dann ist es dunkel und einsam hier, würdest du hier wohnen wollen, den ganzen langen Winter hindurch?«
    »Nein, Gott bewahre! Und du?«
    Sie lachte.
    »Nein. Man muss schon ziemlich stark und sozusagen eins mit der Natur sein, um das ganze Jahr über hier wohnen zu wollen. Und das bin ich nicht. Du offenbar auch nicht, Tor.«
    »Nein, nein!«
    »Und wie stellst du dir deine Zukunft vor?«, fragte sie plötzlich, und wie sie so im Wind stand, wirkte sie grobknochig, ihre Augen tränten, das Kinn stand vor.
    Darüber wollte er nicht sprechen, normalerweise jedenfalls nicht. Die Leute versuchten ihn ständig dazu zu bringen, sich mit seiner Lage zu arrangieren. Zu sagen: »Ja, ich werde das Haus verkaufen und mich zusammennehmen, etwas Neues anfangen.«
    Er besaß noch immer seine kleine Wirtschaftsprüfergesellschaft, doch er hatte schon lange keine Aufträge mehr angenommen. Das von seinen Eltern geerbte Geld hatte die ersten Jahre gereicht, doch schließlich hatte er sich gezwungen gesehen, das Sommerhaus zu verkaufen. Er lebte insgesamt bescheiden, gönnte sich nur seine Zigaretten.
    Auch die Jungs hatten Andeutungen gemacht. Jörgen, der Älteste, sogar mehr als das. Er hatte eine gigantische dramatische Abrechnung mit ihm inszeniert, dagegen wirkte Lars Norén wie ein Waisenknabe!
    »Sieh doch den Tatsachen ins Auge! Mama kommt nicht wieder zurück. Das ist verdammt traurig und bedauerlich, aber so ist es leider, du musst sie loslassen und dich neu besinnen. Ansonsten gehst du zugrunde, Vater, das kannst du mir glauben. Und wenn du es alleine nicht schaffst, musst du zu einem Psychologen gehen. Das hättest du übrigens schon viel früher tun können. Lernen zu reden, Vater, deine Generation …«
    Er war seiner Mutter ähnlich, wie er so dastand, breitschultrig, durchtrainiert, ihre Augen, ihr Mund. Er war nicht länger der kleine Junge, sein und Berits Erstgeborener, der große Bruder von Jens. Nein, er war erwachsen geworden und hatte sich in einen zynischen Fremdling verwandelt.
    »Was willst du damit sagen?«, rief Tor aus, erschrocken über den plötzlichen Angriff. Er war es gewohnt, seit einiger Zeit mit Samthandschuhen angefasst zu werden, keiner griff einen Mann an, der auf eine so traumatische Weise allein zurückgelassen worden war. Man behandelte ihn vielmehr rücksichtsvoll, man diskutierte nicht, äußerte keine Kritik.
    Jörgen schluckte, erzeugte mit seinen Lippen ein trockenes Schmatzen.
    »Wir haben dich ja nie gesehen«, argumentierte er und erhob dabei seine Stimme, es lag ihm so einiges auf der Seele, das spürte man deutlich. »Wir sahen dich kaum, du warst ja nie da. Haben wir jemals miteinander geredet, du und ich? Ich meine, so richtig. Hast du dich jemals für uns interessiert? Meistens waren wir doch nur im Weg, Jens und ich. Wolltest du eigentlich wirklich Kinder haben? Nein, mein Lieber, das war Mamas Idee, sie machte ihr eigenes Ding, doch du hättest auch nein sagen können, das wäre aufrichtiger gewesen, sowohl ihr als auch uns gegenüber.«
    »Was behauptest du da? Misch dich nicht in Dinge ein, von denen du nicht einen Scheißdreck weißt!« Er erschrak über seine eigene Wortwahl, doch er konnte nicht anders, fühlte sich in die Ecke getrieben. Und noch dazu von seinem eigenen Sohn.
    Jörgen fuhr mit leicht schielendem Blick fort, die Haare zu einer Art Haken auf der Stirn geformt.
    »Oder bist du etwa so geil auf sie gewesen, dass du es nicht lassen konntest! Nee! Das glaube ich nicht, das fällt mir nämlich verdammt schwer zu glauben. Mochtet ihr euch denn überhaupt, du und Mama? Das Einzige aus meiner Kindheit, an das ich mich erinnere, weißt du, was das ist? Die Stille! Die Stimmung am Abendbrottisch, ihr habt euch nie angefasst, ich hab nie gesehen, dass ihr euch auch nur berührtet, keine Umarmung, keine Zärtlichkeiten. Ihr hättet euch schon längst trennen sollen, das wäre für alle Parteien fairer gewesen. Ich sage dir, uns hätte es nicht geschadet, es wäre sogar tausend Mal besser für uns beide gewesen, mit

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