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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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einen brennenden Schmerz, verstärkte den Griff um die Taschen und marschierte los.
     
    Das Haus lag direkt an der Straße, doch sie wohnten dort relativ ungestört. Es herrschte nicht allzu viel Verkehr, nur die Nachbarn nutzten die Straße, und das waren nicht viele. Links von ihnen, direkt neben der Einfahrt zu ihrem Haus, wohnte eine erst kürzlich verwitwete Frau, und rechts, neben einem unbebauten Grundstück, eine ruhige Familie mit zwei Kindern. Auf dem unbebauten Grundstück hatte einmal ein heruntergekommenes Sommerhaus gestanden, das jedoch abgerissen wurde, als sein Eigentümer verstarb. Danach blieben jegliche weiteren Aktivitäten aus. Es ging das Gerücht, dass die erwachsenen Kinder sich nicht einigen konnten.
    Auf der anderen Seite der Straße erstreckten sich Felder, auf denen es sowohl Rehe als auch Hasen und Fasane gab. Einmal hatte Ariadne frühmorgens sogar einen Elch gesehen, der mit seinen langen Beinen durchs Gras stapfte. Sie rief nach Tommy, doch als er kam, war der Elch bereits wieder verschwunden.
    »An dem Tag, an dem man hier draußen anfängt, das Land zu bebauen, wird mit dem Frieden Schluss sein«, pflegte Tommy zu sagen und erhob jedes Mal seine Stimme, wenn er sich ausmalte, wie eine Reihenhauszeile nach der anderen vor ihrem Küchenfenster emporwuchs und ihre eigene Aussicht immer mehr einschränkte.
    »Wehe dem Tag, an dem das geschieht! Wenn vom ersten Spatenstich hier auf dem Feld die Rede ist!« Seine Kiefermuskeln spannten sich an, sodass sie sich an die kompakten kleinen Gummibälle erinnert fühlte, die Christa früher durch die Zimmer hüpfen ließ und niemals wiederfinden konnte, woraufhin sie sich wütend an den Wänden entlangschob und dabei alles, was ihr in den Weg kam, herunterriss.
    Das Haus war aus Holz gebaut und gelb angestrichen. Ariadne war zufrieden gewesen, als sie es zum ersten Mal sah. Holz, ein so freundliches und einladendes Material, kein kühler Stein wie zu Hause in Griechenland. So etwas brauchte man in einem Winterland wie Schweden nicht. Als sie einzogen, waren sie gerade frisch verheiratet, Tommy und sie. Er hob sie die Treppe hinauf und trug sie über die Schwelle, daran erinnerte sie sich, seinen kräftigen Arm unter ihren Oberschenkeln, während sie ihre Arme um seinen Hals gelegt hatte und vor Lachen und Angst gleichermaßen schrie, gewiss war er stark, aber sie war ziemlich rund und etwas empfindlich, denn in ihrem Bauch wuchs ein Kind heran.
     
    Schon bevor sie das Grundstück betrat, sah sie, dass die Türen und Fenster verschlossen waren. Eine eisige Kälte lief ihr den Rücken herunter. Sie musste stehen bleiben, fuhr sich mit der Hand über die Stirn, räusperte sich geräuschvoll und schloss für einen Moment die Augen. Dann atmete sie tief durch und ging weiter.
    Das Auto stand im Carport, er war also zu Hause. Der grüne BMW mit einer Beule unter dem Rücklicht, er war am Wochenende rückwärts gegen einen Stein gefahren, weil er zu schnell beschleunigt hatte. Ich bin verdammt sauer, wie du dir denken kannst! Die Sonne schien glühend rot auf die Fassade, sodass sie wie Feuer leuchtete. Sie stieg die Treppen zur Terrasse hoch und stellte fest, dass die Blumen im Tontopf zu welken begannen. Steckte den Finger in die Blumenerde, spürte, dass sie feucht war, also hatten sie nicht zu wenig Wasser, sondern wahrscheinlich eher Spinnmilben, ein Blattbefall, der aus dem Nichts kam und unmöglich zu behandeln war. Das kam öfter vor. Sie wusste nicht, warum.
    Die Haustür war abgeschlossen. Die massive braune Holztür mit ihrem Türklopfer aus Messing, einem Löwen mit gefletschten Zähnen. Tommy hatte ihn geschenkt bekommen, als er 40 wurde, seine Kollegen hatten zusammengelegt. Nach einigen Jahren war er angelaufen und hässlich geworden, es half auch nicht, dass sie ab und an mit dem Putzlappen darüberging. Als sie sich über ihre Handtasche beugte und nach ihrem Schlüssel suchte, pochte das Blut in ihren Lippen. Ihre Hand zitterte, sie hatte Schwierigkeiten, das Schlüsselloch zu finden, aber schließlich gelang es ihr und sie drückte den schweren Türgriff hinunter.
    Die Luft in der Diele war stickig. Warum hatte er abgeschlossen? Hinter ihr begann ein Vogel zu singen, einer von diesen schwarzen mit gelbem Schnabel, der am liebsten hoch oben in der Birke saß und sich im Winter, wenn Schnee lag, meistens unter dem Behälter mit Vogelfutter aufhielt. Tommy war dagegen, dass sie die Vögel fütterte, er meinte, sie würde damit die

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