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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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standen nur ein paar Bierflaschen und eine Coladose. Er öffnete sie und trank.
    »Hast du eigentlich ein Mädchen?«, fragte Nathan. »Du redest ja nicht gerade viel. Wie steht’s denn bei dir so mit den Frauen?«
    »Geht so.«
    »Lass dich nur nicht ausnutzen. Das musst du mir versprechen.«
    »Ja.«
    »Denn daraus kann nie etwas Vernünftiges werden. Vertrau einem, der Ahnung hat. Vertrau einem Mann mit Erfahrung.«
    Sein Vater war zweimal verheiratet gewesen und hatte mit einer weiteren Frau zusammengelebt. Außer Micke und seinen Zwillingsschwestern hatte er noch drei weitere Kinder. Mädchen. Jetzt lebte er allein, abgesehen von dieser Frau in Hässelby. Aber mit ihr wohnte er jedenfalls nicht zusammen.
    Der Vater nahm ein Bündel Dollarscheine und zählte sie nach. Legte sie dann in einen Lederbeutel, den er prüfend um seinen Hals band. Er steckte ihn unter sein T-Shirt. Der Beutel zeichnete sich ab wie eine Beule. Mit einem Ruck riss er ihn sich vom Hals.
    »Verdammt, das geht nicht.«
    Dann schlüpfte er in ein Paar alte Turnschuhe, schnürte sie zu und begann, im Zimmer auf- und abzugehen.
    »Die werde ich danach wegwerfen«, entschied er. »Sie werden ihr Soll erfüllt haben, wenn wir zurück sind.«
    Micke nahm einen Schluck Cola.
    »Und wann kommt ihr zurück?«, fragte er schmollend.
    »In einem Monat ungefähr.«
    »Hm.«
    »Du kannst ja unterdessen ein wenig an dem Namen feilen. Vielleicht fällt dir ja auch noch ein Logo ein. Cheap Trip. Vielleicht mit einem S am Ende. Cheap Trips? Wie klingt das? Wie findest du das, Micke? Ja, Mensch, verdammt. Schau doch nicht so griesgrämig drein. Das hier ist nur eine Testfährt. Ich fliege dorthin, sondiere das Terrain und knüpfe eine Menge nützlicher Kontakte. Und dann legen wir ernsthaft los. Dann, wenn ich wieder zurück bin. Wie viele Jahre Penne sind es noch? Zwei, oder? Die Zeit vergeht schnell, Junge, tempus fugit, so stand es schon auf der Pendeluhr in meinem Elternhaus. Das ist Latein.«
    In dem Moment klingelte das Telefon. Nathan klemmte den Hörer mit der Schulter fest, während er umherwanderte und weiterpackte. Man konnte hören, dass er mit einer Frau sprach. Wahrscheinlich mit dieser Neuen aus Hässelby, die mit dem merkwürdigen Namen. Justine, oder wie sie hieß. Micke war ihr noch nicht begegnet. Aber sie würde in den Dschungel mitkommen.
    Nein. Es hatte keinen richtigen Abschied gegeben, und das war unter anderem die Schuld dieser Tante aus Hässelby. Plötzlich hatte Micke die Nase voll gehabt, war sich überflüssig vorgekommen. Hatte nur kurz gewinkt und war verschwunden. Als er schon ein ganzes Stück die Treppe hinuntergegangen war, hörte er, wie Nathan oben die Tür öffnete.
    »Micke!« Sein Name hallte durchs Treppenhaus. Doch er antwortete nicht, tat so, als sei er schon draußen.
    Hinterher setzte ihm genau das ziemlich zu, es war wie ein Stich direkt ins Herz. Dass sie sich nicht voneinander verabschiedet hatten.
    Diese Martina kam ebenfalls nicht aus Malaysia zurück. Sie wurde in ihrem Hotelzimmer, das sie mit Justine Dalvik teilte, niedergestochen. Verdammt. Wenn es auch nur irgendeine Gerechtigkeit geben würde, dann hätte man stattdessen diese Schlampe ermorden müssen. Denn sie war es, die Nathan im Stich gelassen hatte. Nicht einmal hübsch war sie. Eher alt und dick. Würde sowieso bald sterben. Was konnte Nathan nur an so einer wie ihr finden?
    Er erinnerte sich, wie er zum ersten Mal zu ihrem Haus hinausgefahren war. Das Steinhaus in Hässelby. Er hatte sie vorher angerufen, und sie war einverstanden gewesen, sich mit ihm zu treffen. Das hätte auch gerade noch gefehlt, hatte er gedacht. Du verdammte Hure.
    Sie war so merkwürdig. Wirkte fast ein bisschen krank im Kopf. Sie saßen in einem Zimmer, das ganz blau gestrichen war, und plötzlich rannte sie einfach raus und die Treppe hinauf. Er wartete lange, doch sie kam nicht zurück. Schließlich ging er in den Flur hinaus, und plötzlich war er von großen schwarzen Flügeln umgeben, die wild um ihn herumflatterten. Er schrie auf und blieb wie angewurzelt stehen, das Treppengeländer umklammernd. Hoch oben auf dem Treppenabsatz entdeckte er die Frau dann. Sie rief zu ihm hinunter, ein ums andere Mal. Doch er hatte Mühe, sie zu verstehen.
    »Hab keine Angst, es ist eher der Vogel, der Angst hat. Er hat weitaus mehr Angst als du.«
    Als wüsste sie etwas über seine Angst.
    Dann endlich hatten sie angefangen zu reden. Deswegen war er ja gekommen. Um etwas mehr zu

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