Der Schatten im Wasser
zeichnete Brüste, die wie runde Pfannkuchen auseinander flossen. Er dachte an Karla Faye Tucker und die Nadeln, die langsam in ihre Haut drangen.
Ein paar Mal fuhr er nach Hässelby raus, doch es war nicht mehr ganz so leicht, sich in den Büschen versteckt zu halten. Denn ab und zu sah er diese Frau, wie sie mit ihrem neuen Mann zusammen Laub harkte. Er, der Nathan beerbt hatte. Der große Vogelkäfig um den Baum herum wirkte leer. Vielleicht war der Vogel gestorben oder in wärmere Länder geflogen.
Zu Hause war es trist. Nettan befand sich gerade wieder in einer ihrer Meckerphasen. Ob das die Wechseljahre waren? Er versuchte sich von ihr fernzuhalten, wenn sie da war, aber schlafen musste er ja irgendwo. So weit war es noch nicht gekommen, dass er in der feuchtkalten Hütte übernachten wollte. Außerdem würde sie dann anfangen nachzuforschen und ihn über seinen Aufenthaltsort ausfragen. Doch das mit dem Kleingarten war ganz allein seine Sache. Alle anderen ging es einen Scheißdreck an.
Er saß oft an dem großen Tisch in der Hütte und malte sich seine Zukunft aus. Oder zusammengekauert vor der Heizung, in seinem dicken, dunkelgrauen Pullover, den er vor vielen fahren von Nettan bekommen hatte, als sie noch auf dem Strick-Trip war.
Es ergab sich so, dass in der Abgeschiedenheit der Kleingartenhütte langsam eine Idee in ihm heranzureifen begann. Eine fantastische, fixe Idee, die ihm am ganzen Körper ein Kribbeln verursachte. Er, Mikael Gendser, 22 Jahre alt, der das ganze Leben noch vor sich hatte, würde dort ansetzen, wo Nathan Gendser aufgehört hatte. Oder vielmehr begonnen hatte. Er würde dem so abrupt beendeten Projekt Nathans mit seinen Abenteuerreisen neues Leben einhauchen. Cheap Trips. Er war es seinem Vater schuldig, die Sache weiterzuführen. Es war eine Frage der Ehre.
Doch da gab es noch eine Sache, die mit Ehre zu tun hatte. Diese Frau aus Hässelby. Sie hatte Nathan auf zweierlei Weise verraten. Und dafür würde er sie bestrafen müssen.
ER FUHR PLANLOS umher, folgte den Nebenstraßen in Åkeshov und Blackeberg, fuhr hinaus bis nach Hässelby. Den Whisky spürte er nicht länger. Wenn ein Polizeiwagen auftauchte und ihn bitten würde zu blasen, wäre er dran, das wusste er. Und dennoch war es ihm herzlich egal. Das gleichmäßige Motorengeräusch beruhigte und entspannte ihn, als glitte er auf Wolken dahin.
Er war allein auf der Straße, aber nicht der Einzige, der wach war. Jill zum Beispiel saß in ihrem Turm und arbeitete. Er konnte sie vor sich sehen, ihren breiten Rücken über den Radarbildschirm gebeugt, die Finger über Tastatur und Papier fliegend. Ihn befiel eine rein körperliche Sehnsucht, sie anzufassen, ihre Haut zu berühren, mit seinen Fingerspitzen durch ihr Haar zu fahren und die Haut um ihre Ohren zu liebkosen, sie hatte witzige kleine und wohlgeformte Ohren, das war ihm aufgefallen. Ihr trockener Humor, ihre Geduld, ihre Warmherzigkeit und Fürsorglichkeit ihm gegenüber, immer darauf bedacht, dass es ihm gut ging.
Sechs Jahre Abwesenheit.
Aber es war nicht ich, der dich verlassen hat, sondern du hast mich verlassen.
Er kam an dem Friedhof vorbei, auf dem Berits Eltern begraben lagen. Dabei fiel ihm ein, dass Berits Vater scherzhaft der Gurkenkönig genannt worden war. Er war in Gärtnerkreisen ein angesehener Mann und hatte im Laufe seines Lebens verschiedene Diplome erhalten, die Berit nach seinem Tod im Ferienhaus in Vätö aufgehängt hatte.
Vor langer Zeit hatte Tor einmal den Namen Gurkenkönigstochter für seine zukünftige Ehefrau erfunden. Vor fast einem ganzen Leben, in einer Zeit, als sich Spitznamen sozusagen noch von selbst ergaben. Bei dem Gedanken daran krampfte es sich in seiner Brust zusammen.
Langsam glitt er vorbei an den Villen und Reihenhäusern mit ihren dunklen Fenstern. Überall war es dunkel. Die Menschen schliefen und sammelten Kraft für den nächsten Arbeitstag. Rechtschaffene, anständige Menschen, die pflichtbewusst ihrer Arbeit nachgingen.
Das letzte Mal, als er bei seinem Arzt war, hatte der ihn ernsthaft in die Pflicht genommen. Hatte angefangen, ihm Vorträge über die Krankenversicherung und die ärztlichen Atteste bezüglich seines Gesundheitszustandes zu halten. Gustav Vederöd war ein Freund der Familie, ein richtig altmodischer Hausarzt, kein gestresster Mediziner in einem polyklinischen Behandlungszentrum, der ein paar Monate blieb, um sich dann zu neuen, kühnen Zielen aufzuschwingen. Doktor Gustav, wie
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