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Der Schatten von nebenan - Roman

Der Schatten von nebenan - Roman

Titel: Der Schatten von nebenan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Saur
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Hoffnung auf jede Art von Veränderung.
    »Bitte kommen Sie herein«, sagte sie dann nach der Pause, ihre Stimme klang bemerkenswert rauchig.
    Ich schloss die Tür hinter mir und folgte ihr ins Haus. Kate Amos’ schlanker Körper in dem figurbetonten Kleid, der sich mit jedem Schritt ganz leicht nach vor und zurückbog, ließ sie wie einen Filmstar aus Hongkong aussehen. Der Flur roch nach Zimt und Zigarettenrauch. Er war raffiniert beleuchtet, die eingebauten Lampen versteckten sich hinter glatten, gestrichenen Wänden, und aus deren schmalen Öffnungen strahlte es. Ein bodenlanger Spiegel auf der linken Seite der Eingangshalle war von innen beleuchtet. Kate Amos trat ins Wohnzimmer und drehte den Dimmschalter auf. Ich verstand sofort, dass wir von entgegengesetzten Enden des Universums zu diesem Treffen gereist waren. Das Wohnzimmer war elegant und geräumig. Das Licht erreichte jeden Spalt, jede Ecke und verkeilte sich nicht in achtlos herumstehenden Kartons und betagten Möbelstücken wie in unserem Wohnzimmer. Die Couch, die Stühle, der Tisch, alles schien neu und glänzend und war großzügig arrangiert. Auf dem Kaminsims stand eine Reihe Familienfotos in teuren Rahmen mit Ornamenten, die chinesisch aussahen; zwei stolze Eltern und ihre viel versprechende Tochter. Eine antike Schriftrolle an der dem Kaminsims gegenüberliegenden Wand zeigte die Reise eines Mannes, der von vier chinesischen Dienern getragen wird, während er etwas auf Reispapier schreibt, sein europäisches Gesicht ernst und intelligent. Nur die Rosen am Ende des Couchtischs stammten aus einer anderen Ära. Ihre dunkelroten Blüten waren von der Zeit in tote, bleiche Zwiebelhaut verwandelt worden. Und da war noch etwas, das ich sofort bemerkte. Alle New Yorker Apartments geben ein Summen von sich, wenn keine Klimaanlage oder Heizung aufgedreht ist. In unserem Haus hatten wir das ständige Rauschen des Verkehrs auf der Carroll Street, manchmal übertönt von jemandem, der Schlagzeug spielte oder Violine übte. Dieses Haus war absolut still, Beweis für doppelt verglaste Fenster. Es gab keine anderen Geräusche im Apartment. Ich versuchte, auf die oberen Räume zu horchen. Es dämmerte mir, dass Kate Amos allein war.
    »Sie können sich setzen«, sagte sie. Ihr Hals war schlank, und sie schien größer, weil sie ihr Haar hochgesteckt hatte. Sie musste Anfang vierzig sein, ungefähr zehn Jahre jünger als ihr Mann, und sie musste Greta mit Mitte zwanzig bekommen haben. Auf ihren Lippen trug sie einen leuchtenden Lippenstift, und ihre Fingernägel waren kastanienbraun lackiert. Ich hatte ihre tiefe Schönheit nie zuvor bemerkt.
    »Setzen Sie sich«, forderte sie mich wieder auf und zeigte auf einen der zwei Ledersessel vor der beigen Couch, die mit einem halben Dutzend Kissen bedeckt war. Sie musste einige der Kissen zur Seite schieben, bevor sie selbst Platz nahm. Als sie saß, massierte sie die Innenflächen ihrer Hände. Der mir zugewiesene Ledersessel war so kalt, dass er sich fast feucht anfühlte. Einige Reisetaschen mit glänzenden Magazinen darauf warteten neben der Tür, vielleicht noch auf eine Reise, die vor dem Verschwinden ihrer Tochter geplant gewesen war.
    »Mrs. Amos, der Detective hat mit mir gesprochen und sagte, dass Sie und Ihr Mann den Verdacht geäußert hätten, ich hätte etwas mit dem Verschwinden Ihrer Tochter zu tun. Mir tut Leid, was geschehen ist. Aber Sie müssen mir glauben, dass ich nichts damit zu tun habe«, fing ich hölzern an.
    Kate Amos sagte erst nichts, ihre Augen schimmerten feucht. Dann begann sie langsam zu sprechen, trotz ihrer rauchigen Stimme jetzt eisig klingend: »Wir hätten schon lange mit Ihnen reden sollen, Mr. Shelby.«
    Sie legte eine kurze Pause ein. Ich suchte nach Worten, um die Stille zu überwinden.
    »Wissen Sie, Greta kam eines Tages nach Hause und erzählte uns, sie hätte einen alten Freund meines Mannes getroffen. David fragte, wer das war. Und Greta sagte, das Merkwürdige war, dass es dieser junge Mann war – Sie. Am Tag, an dem Sie sich Greta näherten, wusste sie über Sie Bescheid, denn wir hatten zuvor bereits über Sie gesprochen, verstehen Sie? Wir hatten Ihr Interesse an uns bemerkt. Greta wusste, dass Sie kein alter Freund von David sind. Wir hätten fragen sollen, warum Sie dieses Interesse hatten, aber wir taten es nicht. Wir hätten schon vor langer Zeit fragen sollen.«
    Ich fühlte Gänsehaut meine Arme hinaufkriechen, so sehr erschrak ich über das Ausmaß, in dem

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