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Der Schatten von nebenan - Roman

Der Schatten von nebenan - Roman

Titel: Der Schatten von nebenan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Saur
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Waschmittel. Die Matratze lag nackt auf dem Bett. »Claire, alles in Ordnung?«, fragte eine Frauenstimme in dem Moment vom Korridor durch die geschlossene Tür, »kann ich reinkommen?« Da trat auch Claire mit verschrecktem Gesichtsausdruck aus dem kleinen Bad ins Zimmer.
    »Claire?«, erklang die Stimme erneut und die Tür öffnete sich.
    Ich war kein Schatten mehr, und diese Gewissheit stimmte mich für einen Moment lang heiter. Ich musste nicht mehr als Geheimnis behandelt werden, und dieses Gefühl verwandelte den Moment in einen Augenblick der Befreiung.
    »Claire, es tut mir Leid, dass ich so spät bin«, sagte Erika Edelweiss, »Ich bin in schrecklicher Eile und kann nur kurz bleiben.«
    Für einen Moment sahen wir uns alle an. Erika Edelweiss machte Anstalten, wieder zu gehen. Aber sie war auch von der Sorte Frau, die an jedem und allem sofort interessiert sind, ein Mensch von der Art, der für jeden eine Frage parat hat.
    »Mein Name ist Edelweiss«, sagte sie zu mir. Claires Unbehagen wuchs sichtbar. Ihre Augen huschten zwischen ihrer Chefin und mir hin und her, als ein Moment der Stille entstand. Jetzt kramte Erika in einem Stapel Papiere und Magazine auf dem Nachttisch.
    »Ah, hier ist es, Claire.«
    Sie drehte sich um und wedelte triumphierend mit einem Buch.
    »Hast du’s schon gelesen?«
    »Ich hatte noch keine Zeit«, sagte Claire.
    Erika Edelweiss winkte mit einem gerade neu erschienenen Thriller, der überall in den Buchhandlungen auslag und die Bestsellerlisten erklomm.
    »Das ist der Stoff, den wir brauchen. Das sind die Geschichten, die sich verkaufen. Du solltest es lesen, Claire.«
    Die Frau drehte ihren Kopf zurück zu mir, während Claire nickte und schwach lächelte.
    »Nun, Claire, ich werde in zwei Stunden zurück sein, um dir ein paar Manuskripte zu bringen.«
    »Ist in Ordnung«, antwortete Claire und klang geschlagen.
    »Nun, Mr. Shelby, es war mir ein großes Vergnügen«, meinte sie wieder mir zugewandt. Eine große Silberbrosche mit einem verdrehten Clownsgesicht, die an Erika Edelweiss’ breiter Brust befestigt war, bewegte sich mit jedem Wort auf und ab und sah aus wie ein Monster in einem Kindertraum.
    »Ja, dann gut, ich werde jetzt gehen«, sagte sie zum dritten Mal. »Auf Wiedersehen, Claire. Ich bringe dir später noch die Manuskripte vorbei. Wenn es dir nichts ausmacht. Also …«
    Sprechend und fast auf dem Absatz drehend, hielt sie etwas auf. Erika Edelweiss hatte plötzlich auch Claires irritierten Ausdruck bemerkt.
    »Claire, du siehst fürchterlich aus. Weiß wie die Wand. Bezahlt das Krankenhaus für den Trip? Ist es das, was dir Sorgen bereitet?«, fragte sie.
    »Ja, sie zahlen.«
    Diese Antwort schien die Frau zu beruhigen, und sie gewann ihren gut gelaunten Elan zurück.
    »Nun, ich werde dann nach dem Mittagessen mit ein oder zwei Manuskripten vorbeikommen. Vielleicht wird dir das die Zeit vertreiben.«
    Dann klemmte sie sich ihre Tasche unter den Arm und verschwand. Claire und ich hörten, wie ihre Absätze auf dem Linoleumboden leiser wurden. Fast gewaltsam zog Claire nun ein Stück Papier unter all dem Durcheinander auf ihrem Nachttisch hervor und schleuderte es mir entgegen. In ihrem Gesicht zerbrach etwas, und Tränen begannen herunterzulaufen.
    »Das Mädchen, sie ist tot.«
    »Was?«
    Claire schüttelte das Flugblatt drei- oder viermal heftig. »Dieser Detective, der hinter dir her ist, er hat angerufen, gerade bevor du und Erika gekommen seid. Das Mädchen ist tot. Ein Jogger fand sie vor ein paar Stunden im Park. An einen Baum gebunden und tot.«
    Die Neuigkeit brach über mich herein wie eine Sturzflut. Es war wahrscheinlich das Schlimmste, das Claire in diesem Moment hätte sagen können.
    »Tot? Aber wie? Wie zum Teufel kann sie tot sein?«, sagte ich. Ich fühlte mich, als wenn mein Blut langsam stockte. Um meinen Schwindel zu bekämpfen, musste ich mich aufs Bett setzen.
    »Warum ist der Detective hinter dir her, Galvin? Was hast du mit all dem zu tun?«
    Claire schloss die Augen und formte ihre Hände zu Fäusten, ihre Knöchel färbten sich weiß.
    »Und dieser Detective behauptet, jemand sei bei uns zu Hause. Ein Mann würde bei uns wohnen. Er fragte mich, ob wir uns normalerweise alles erzählen, und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Was hat das alles mit dem toten Mädchen zu tun? Wer ist bei uns zu Hause, Galvin?«
    Sie hätte sagen können, dass ein Fahrrad in der Bronx umgefallen ist, oder ein Gebäude in China eingestürzt ist. Das

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