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Der Schatten von nebenan - Roman

Der Schatten von nebenan - Roman

Titel: Der Schatten von nebenan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Saur
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Gesicht war todernst. Und dann tat er etwas, das auf den ersten Blick unbeholfen aussah. Er klopfte sich ab nach einem Schreibgerät, fand einen Kugelschreiber in seiner Hemdtasche, dachte nach, schrieb etwas, und mit zwei raschen Bewegungen setzte er seine Unterschrift auf eine der ersten Seiten des Buches. Er reichte es mir und steckte den Kugelschreiber zurück in eine der oberen Hemdtaschen.
    »Ich muss Sie um einen Gefallen bitten«, sagte er. »Dieses Haus, unser Haus, wissen Sie, es wächst. So merkwürdig das klingen mag, aber im Herbst wächst es wirklich. Nun gut, tatsächlich wächst es nicht, es dehnt sich nur.«
    Ich öffnete das Buch und las die Widmung.
    In Dankbarkeit, David Amos.
    David Amos atmete ein, zwei Mal, jedes Mal seine Hände dabei zusammenführend, als wolle er das Atmen des Hauses aufzeigen, es als etwas Lebendiges vorführen, das seine unsichtbaren Lungen füllt und leert.
    »Letzte Nacht schlich Greta ins Haus, nachdem sie das Geld abgeholt hatte. Vielleicht war es ihr nicht klar, aber so ein Batzen Geld ist schwer. Hätten Sie gedacht, dass eine Million Dollar in kleinen Scheinen eine Sporttasche ausfüllt? Gretas Tasche war groß und schwer von dem Lösegeld. Aber da war etwas, das Greta nicht bedacht hatte. Etwas, das so weit von ihrem Plan entfernt schien und doch so wichtig war. Im Herbst, wenn das Wetter umschlägt, verziehen sich die Holzfußböden. Die Türrahmen machen die Bewegung mit, genauso wie das Innere des Kamins, obwohl er gemauert ist. So stark ist die Kraft des Holzes. Das ganze Haus sitzt anders, wenn sich die Jahreszeiten ändern. Meine Frau war regelmäßig in Gretas Zimmer während der Tage, als sie vermisst wurde. Sie saß einfach nur da, in meinem alten Schreibtischstuhl – und plötzlich, gestern, plumpste die Tasche aus dem Kamin auf den Boden, obwohl Greta sie so hoch und weit wie möglich hineingeschoben hatte. Wissen Sie, wenn man eine Million Dollar in einer Tasche findet, die nach der schmutzigen Trainingskleidung seiner verschwundenen Tochter riecht, und das Ganze auch noch im Kamin ihres Zimmers steckt, ahnt man, dass etwas nicht stimmt. Meine Frau war verwirrt, aber das war nicht alles. Sie war hoffnungsvoll. Ich begriff schneller als Kate, was passiert war. Ich ging die Tasche durch, grub mit meinen Händen durch das Geld und fand eine Nachricht, ein kleines, handgeschriebenes Stück Papier. Es war unter den Scheinen vergraben, der Text verfasst in den großen, runden Buchstaben meiner Tochter, den Stift kraftvoll über das Papier geführt, so wie es ihre Angewohnheit ist. Wie lange braucht man von dem Buchladen nach Canarsie und zurück? Wie lange dauert eine Fahrt maximal? Alternative Busstrecken, falls die U-Bahn stecken bleiben sollte. Als ich das Papier studierte, erfasste mich Panik. Es ist eine seltsame Angewohnheit für so ein junges Mädchen, solche detaillierten Notizen zu machen. Obwohl es mir immer gefiel, wenn ich ihr dabei zusah. Ich konnte ja nicht ahnen, dass diese Angewohnheit mich einmal dazu führen würde, ihr schlimmstes Geheimnis zu entdecken. Nun gut, ich wartete bis es dunkel war und kletterte hinauf in die Wohnung über dem Chapelle-Buchladen. Und ich fand Greta, schlafend auf einem alten Bett. Ich weckte sie und nahm sie mit nach Hause, und sie folgte mir widerstandslos. Stumm legten wir den Weg zurück, doch ich glaube, wir wussten beide, was kommen würde. Meine Frau war außer sich vor Freude. Sie rannte zum Telefon, weil sie die Neuigkeiten hinausposaunen wollte. Ohne alle Einzelheiten zu kennen, wusste ich, dass unsere Tochter etwas Schreckliches getan hatte, und ich nahm Kate das Telefon wieder aus der Hand.«
    Er sprach jetzt in einer sanften Stimme, sein Bariton war fast in ein Schnurren übergegangen. Aus der Schublade des Seitentisches neben seinem Sessel zog er ein Päckchen Zigaretten, ein goldenes Feuerzeug und einen sauberen Kristallaschenbecher hervor.
    »Rauchen Sie?«, fragte er und zündete sich eine Zigarette an.
    »Wissen Sie, Menschen rauchten früher, weil der Tabak von den romantischsten Orten der Welt kam«, sagte er, zögerte einen Moment und inhalierte dann tief, um den Rauch nach Sekunden gut hörbar auszublasen.
    »Jedenfalls hat Greta nichts abgestritten«, fuhr er fort. »Sie hat uns alles erzählt. Zum Schluss schrie meine Frau sie an aufzuhören. Aber Greta fuhr fort. Dabei sah sie mich an. Ich hatte keinen Zweifel, dass sie die Wahrheit sagte. Ich konnte nicht in mein Büro gehen, die Tür

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