Der Schatten von nebenan - Roman
Greta das Stück Stoff hineinrammen würde. Dann drückte Greta die Nase des Mädchens zu und schnitt ihr die Luft ab. Es kann nicht lange gedauert haben, bis ihr Widerstand abflaute und Greta das Handtuch herausnahm.«
Amos stand auf und ging ein paar Schritte zum Fenster und schob einen der hölzernen Läden zur Seite. Er stand vielleicht eine Minute lang dort, still und regungslos in die Nacht starrend. Dann kehrte er zu seinem Sessel zurück, goss sich noch einen Scotch ein, und erst nachdem er sein Glas geleert hatte, bot er mir erneut eins an. Ich reichte ihm eines meiner leeren Wassergläser. Amos füllte es zur Hälfte. Der Whisky lief warm und scharf meine Kehle hinunter. Ich fühlte, wie der Alkohol in mein Blut überging. Da war plötzlich Bewegung im Haus. Jemand stieg die Stufen herab.
»Sie kommen«, sagte Amos.
-8-
K ate Amos trug die aus ihren Nähten platzende Sporttasche bei sich. Sie schien der Erschöpfung nah, wirkte von einer Müdigkeit befallen, die nicht mehr auf gewöhnlichem Schlafmangel beruhte, sondern tief in ihre Psyche vorgedrungen zu sein schien. Sie biss sich auf die Unterlippe und nickte dann in meine Richtung, ohne mich direkt anzusehen. Greta folgte ihr aufmerksam. Sie trug einen roten Rock, eine Bluse und Turnschuhe ohne Socken. Bevor sie sich setzte, zog sie ihre Bluse herab, und ich konnte ihre spitzen Brüste sehen. Sie schienen fast durch die seidige Bluse zu schneiden, und Greta löste den ersten Knopf, um sie zu lockern.
»Ich muss Sie jetzt um den Gefallen bitten, den ich vorhin erwähnte«, sagte Amos, »ich werde jetzt etwas von Ihnen kaufen müssen.«
Die angeschwollene Tasche stand zwischen Kate Amos’ Füßen. Als wäre Amos’ Satz das Stichwort gewesen, erhob sie sich, nahm den Griff der Tasche in beide Hände, hob sie auf und ließ sie dann zu Füßen ihres Mannes fallen. Als Kate zum Sofa zurückkehrte, legte sie die Hände ihrer Tochter in ihre. Amos’ Blick zögerte einen Moment, dann hefteten sich seine Augen auf die seiner Frau. Sie hielten den Kontakt, und erst nach ein paar Sekunden wendete sich David Amos wieder mir zu. Die Erschöpfung, die sein Gesicht die letzte halbe Stunde gezeichnet hatte, war plötzlich verschwunden. Seine Augen waren klar, die Falten auf seiner Stirn geglättet.
Mich überkam nun eine schwere Mattigkeit, als wären meine Muskeln geschrumpft, als hätte ich für eine Ewigkeit auf der Couch gesessen und mich wochenlang nur unter Zwang wach gehalten.
»Sehen Sie, Palmer ist nicht an der Wahrheit interessiert«, sagte Amos. »Er ist hinter Beweisen her, nichts weiter, denn so funktioniert doch die Welt, nach Beweisen. Palmer jedenfalls sammelt leise seine Spuren ein. Ich glaube, er hat jetzt einen Verdächtigen. Ich bin sogar überzeugt davon.«
Als er das sagte, fühlte ich Amos bereits mit dem Finger auf mich deuten. An wen sonst konnte Detective Palmer denken, wen sonst hätte er laut Amos als Verdächtigen ins Visier nehmen können?
»Das erste Mal, dass Detective Palmer mich nach diesem Verdächtigen befragte«, fuhr Amos in seinem neu gewonnenem Elan fort, »war kurz nachdem er uns informierte, dass sie Priscilla im Park gefunden hatten. Was er sagte, schien mir vage, ich konnte seinen Gedanken nicht ganz folgen. Aber heute früh erwähnte Palmer den Mann erneut. Nur dass er diesmal eine ganze Reihe von Details lieferte. Er wusste plötzlich, wie der Mann aussah. Er hatte einen Namen und ein Auto. Er hatte plötzlich Antworten auf das Woher und Wohin dieses Menschen. Und dieser Verdächtige hatte sogar einen Grund, auf mich wütend zu sein, denn er fühlte sich auf ganz spezielle Art von mir verletzt.«
Ich sah Amos wie durch eine Wolke. Was er sagte, hatte seine Verbindung zu der Welt der Logik verloren, in der man einen Punkt mit dem anderen verbindet, um zu einer Art Sinn des Ganzen zu gelangen. Es wurde so sinnlos für mich, gerade weil er nicht über mich sprach. Durch die Wolke sah ich, wie Kate Amos aufstand und sich nach vorn lehnte, um etwas in das Ohr ihres Mannes zu flüstern. Sie trug ein mit winzigen Perlen besticktes Kleid, und ihre Pose verlieh ihr den Anschein einer großen, glänzenden Träne. Amos hörte kaum zu, da er völlig auf mich fixiert war.
»Wissen Sie, es war diese verrückte Alte mit den Katzen von nebenan, die dem Detective davon erzählte. Sie säte die Idee. Wer kann schon ins Innere einer Verrückten blicken, deswegen glaube ich, es war das gute, alte Glück, das uns hier eine Hand
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