Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten von nebenan - Roman

Der Schatten von nebenan - Roman

Titel: Der Schatten von nebenan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Saur
Vom Netzwerk:
zurückgeben. Dann saß ich auf meinem Bett und dachte an Claire. Ich wusste, ich musste jetzt schnell handeln. Morgen schon würde ich Claire die Wahrheit sagen.
    Dann kam der Montag. Ich bewegte mich langsam, machte eine Kanne Kaffee. Im Badezimmerspiegel bemerkte ich einige Falten um meine Mundwinkel, an die ich mich nicht erinnern konnte. Ich fand Detective Palmers Visitenkarte in dem Haufen unbezahlter Rechnungen und rief seine Büronummer in Brooklyn an. Zu meiner Überraschung informierte mich eine Frauenstimme, dass Palmer versetzt worden war. Ohne weitere Umschweife gab sie mir seine neue Nummer mit einer Vorwahl in Manhattan. Palmer hob nach dem ersten Klingeln ab.
    »Detective Palmer, hier ist Galvin Shelby«, sagte ich, und mir war, als lauschte ich dem Klang meiner ernsten, aber nervösen Stimme von fern. Für einen Sekundenbruchteil glaubte ich, er wüsste nicht, wer ich bin.
    »Galvin Shelby. Ja. Sie sind früh auf«, sagte er dann endlich.
    »Es geht um Priscilla.«
    »Ich höre«, antwortete Palmer, doch er klang, als ob er etwas von großer Wichtigkeit unterbrochen hätte, um meinen Anruf entgegenzunehmen.
    »Dieser Mann, der mich besucht hat, erinnern Sie sich, Sie haben mich nach ihm gefragt …«
    »Randolph Durant?«, fragte er wie aus der Pistole geschossen.
    Als ich Palmer den Namen sagen hörte, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Die falschen Erinnerungen, die ich für Durant fabriziert hatte, lösten sich mit einem Schlag in Luft auf.
    »Nun«, sagte Palmer, »da hab ich gleich mal Neuigkeiten für Sie. Ich habe den Wisch auf meinem Schreibtisch. Randolph Durant, 1932 in Tallahassee, Florida, geboren … Starb am 14. Oktober in Zimmer 310 im Days Inn am LaGuardia Flughafen. Der Mann ist tot.«
    »Tot? Er ist tot?«
    »Irgendwann in den frühen Morgenstunden des 14. Oktober. Der Gerichtsmediziner ist sich ziemlich sicher, dass es ein Herzinfarkt war. Wahrscheinlich nicht sein erster. Sein Auto, ein mintgrüner Cadillac, wurde am 16. Oktober aus der Carroll Street abgeschleppt.«
    Der Knoten in meinem Hals fühlte sich wie ein Geschwür an. Mit plötzlicher Klarheit wusste ich, dass ich das Gespräch beenden musste.
    »Wenn Sie etwas haben, das mir sagen wollen, schießen sie los, viel Zeit hab ich nicht. Die Eltern des toten Mädchens kommen jeden Augenblick vorbei, um die Sachen ihrer Tochter abzuholen … Wissen Sie, der Mann, der Vater des Mädchens, er hat tatsächlich bezahlt. Das Mädchen ist tot, und das Geld ist fort. Ich hatte gehofft, der Fall würde nicht so enden«, sagte Palmer.
    Mein Mund fühlte sich trocken an. Obwohl Palmer sagte, dass er in Eile war, sprach er weiter, beinahe so, als wolle er mich zum Überlaufen bringen.
    »Der Mann ließ das Geld in einer öffentlichen Toilette in Canarsie liegen, und jetzt ist das Geld weg und das Mädchen tot. Priscillas Vater ist einer der Menschen, die denken, sie können alles alleine lösen. Etwas Erfolg im Geschäft und schon glauben sie, sie hätten die Welt im Griff. Diese Menschen fangen an zu denken, dass jedes Problem im Leben von ihnen allein gelöst werden kann.«
    Gerade als ich hoffte, er würde den Anruf beenden, sagte er, »Hören Sie, ich glaube, es ist ratsam, Ihnen zu sagen, dass Sie sich erreichbar halten sollten. Hatten Sie irgendwelche Pläne zu verreisen?«
    »Warum?«, fragte ich überrascht.
    »Das sollten Sie jetzt einfach nicht.«
    Wir waren beide für ein paar Sekunden still.
    »Belastet mich etwas?«, fragte ich.
    »Halten Sie sich einfach verfügbar«, sagte Palmer.
    Fast sofort nachdem ich aufgelegt hatte, klingelte das Telefon. Ich musste mich ermahnen, jetzt keinen Fehler zu machen, ruhig zu bleiben und mir nichts anmerken zu lassen.
    Claire war am Apparat. Es war so viel passiert, seit ich das letzte Mal mit Claire gesprochen hatte. Gleichzeitig fühlte ich eine Welle von Zärtlichkeit und das Verlangen, sie zu umarmen, bei ihr zu sein, als wollte ich mich selbst beschützen, indem ich sie beschützte.
    »Galvin, da ist etwas, das ich Dir erzählen muss«, sagte Claire sanft, aber trotzdem mit einer Dringlichkeit in der Stimme, die mich sofort wieder in Alarmbereitschaft versetzte.
    Sie wartete ein paar Sekunden.
    »Ich hab’s vorgetäuscht«, sagte sie fast flüsternd, und doch waren ihre Worte so klar, als wären sie in die Stille einer Kathedrale gesprochen worden. »Ich habe nur so getan, Galvin. Ich war nie ohnmächtig. Ich habe Streichhölzer in meinem Zimmer im St. Vincent’s abgebrannt, um

Weitere Kostenlose Bücher