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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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somit verschlossen gewesen war. Schädliche Einflüsse wie Wind und Wetter waren auf diese Weise abgehalten worden, und auch Grabräuber schienen hier noch nicht ihr Unwesen getrieben zu haben. Auch die Wände des Korridors waren bemalt, zumeist mit Darstellungen von Pflanzen und Tieren. Sarah erkannte Dattelpalmen und Papyrusbüsche, dazu Bilder von Nilpferden, Krokodilen und Flamingos.
    Ehrfürchtig durchwanderten die Teilnehmer der Expedition den Tunnel, dessen Ende im Lichtschein der Fackeln nicht auszumachen war. Stück für Stück arbeiteten sie sich voran, und Sarah merkte, wie Kamals Anspannung mit jedem Schritt noch größer wurde.
    »Alles in Ordnung?«, raunte sie ihm zu.
    »Nein«, erwiderte er düster. »Nichts ist in Ordnung…«
    Das Ende des Stollens kam unvermittelt in Sicht. Nach etwa fünfzig Yards mündete der Gang in einen Raum, dessen Decke niedrig war und von Säulen getragen wurde. In den Nischen zwischen den Säulen standen die steinernen Abbilder verschiedener Gottheiten des altägyptischen Pantheon.
    »Die Esplanade«, erklärte Sarah knapp.
    »Die was?«, erkundigte sich Milton Fox, dem in der drückenden, dunklen Enge sichtlich unwohl war.
    »Die Säulenhalle des Tempels«, erklärte Sarah. »Die Priester des Kultes pflegten hier ihre Zeremonien vorzubereiten, ehe sie feierlich in den Hauptbezirk des Tempels einzogen.«
    »Verstehe – und wer sind all diese Kerle?« Fox deutete auf die Standbilder.
    »Diese Kerle, wie Sie sie bezeichnen, wurden im alten Ägypten als Götter verehrt, Inspector. Jener dort mit dem Kopf eines Schakals ist der Totengott Anubis. Daneben sehen Sie Apophis, den Erzfeind des Re, der stets als Schlange erscheint. Und jener dort ist Suchos, den die Ägypter in Gestalt eines Krokodils verehrten.«
    »Und wo ist Thot?«, erkundigte sich Sir Jeffrey. »Sagten Sie nicht, dieser Tempel wäre ihm geweiht?«
    »Der Götterglaube im alten Ägypten war vielfältig«, erläuterte Sarah. »Eine Einheitsreligion nach unseren Begriffen gab es nicht. Oft wurden lokale Gottheiten verehrt, und selbst unter der Priesterschaft gab es viele Abspaltungen und separate Kulte. Einer dieser Kulte begriff die Gottheiten Apophis, Suchos und Anubis als Verbündete Thots in seiner Rivalität zum Sonnengott Re – das erklärt, weshalb wir sie hier in der Eingangshalle vorfinden.«
    »Einverstanden – aber es erklärt noch nicht, wo Thot abgeblieben ist«, wandte Sir Jeffrey ein.
    »Das werden wir herausfinden«, versicherte Sarah und wollte weiter die Säulenhalle hinab – schon nach wenigen Yards war ihr Weg jedoch zu Ende. Denn der Stollen, der auf der gegenüberliegenden Seite einst von der Esplanade in den Hauptbezirk des Tempels geführt hatte, war verschüttet. Gesteinsbrocken und Sand verstopften den Stollen, der im Lauf der Jahrtausende wohl irgendwann eingebrochen war.
    »Endstation«, bemerkte Milton Fox überflüssigerweise. »Jetzt wissen wir wenigstens, warum die Deutschen nicht weitergekommen sind.«
    »Sie nicht«, räumte Sarah ein, »wohl aber die Franzosen, die rund siebzig Jahre früher hier gewesen sind.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Die Deutschen haben hier unten die Skelette französischer Soldaten vorgefunden«, erwiderte Sarah, »und selbst Sie werden mir zustimmen, Inspector, dass irgendetwas diese Soldaten getötet haben muss.«
    »Vielleicht sind sie von einem Sandsturm überrascht worden«, überlegte Sir Jeffrey. »Möglicherweise wurde der Stollenausgang verschüttet, während die Soldaten sich noch darin befanden.«
    »Kaum, denn dann wären ihre Leichen infolge des Lufteinschlusses mit großer Wahrscheinlichkeit in mumifiziertem Zustand gewesen«, brachte Fox sein kriminalistisches Wissen zur Geltung, »und das hätten die Deutschen in ihrem Bericht sicher erwähnt.«
    »Danke, Inspector.« Sarah nickte. »Gehen wir also davon aus, dass diese Männer sich irgendwo Verletzungen zugezogen haben und sich hierher retten konnten, wo sie dann den Folgen ihrer Verletzungen erlegen sind.«
    »Einverstanden«, meinte Hayden. »Und von wo sollen sie sich hierher gerettet haben?«
    »Das, werter Captain, werden wir herausfinden müssen«, erwiderte Sarah und begann, im Licht der Fackeln die Wände abzusuchen.
    »Was tun Sie da?«, fragte Fox.
    »Ich suche nach einem Hinweis, Inspector. Nach einer Fuge im Gestein, nach einem Luftzug… nach irgendetwas, das uns verrät, wo sich der Ausgang aus der Esplanade befindet.«
    »Ein Ausgang? Aber der Ausgang ist

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