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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Sarah. »Um der historischen Wahrheit willen. Und um meinen Onkel zu befreien, der von der Gegenseite gefangen gehalten wird.«
    »Und du glaubst, sie werden ihn dir einfach geben?«
    »Wenn sie der Ansicht sind, dadurch in den Besitz des Buches zu gelangen, dann vielleicht. Anschließend werde ich mein Versprechen halten und das Buch vernichten.«
    »Und wenn dein Plan fehlschlägt?« Kamal schüttelte den Kopf. »Nein, Sarah, das Risiko ist zu groß. Kein Mensch hat seit dreitausend Jahren die Kammer der Geheimnisse betreten, und so soll es auch die nächsten dreitausend Jahre bleiben. Erst wenn die Menschheit reif dafür ist, wird sich ihr Thots Geheimnis offenbaren.«
    »Aber Kamal, ich…«
    »Das ist mein letztes Wort«, stellte der Häuptling der Tuareg klar, mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Einmal mehr hatte Sarah das Gefühl, dass jener Mann, mit dem sie noch vor wenigen Tagen am Lagerfeuer gesessen und Gedanken ausgetauscht hatte, nicht derselbe war wie der, der nun vor ihr stand. Eine erstaunliche Verwandlung war mit Kamal vor sich gegangen. Nach dem Kodex der Wüste war er ein Fürst von vornehmem Geblüt und damit nicht länger ein Untergebener. Und mit einiger Verwirrung erkannte Sarah, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte, obgleich er ihr Gegner war.
    Kamal schien es nicht anders zu gehen. Behutsam trat er auf sie zu, das Gesicht noch immer unverhüllt, während lauer Wind durch das Zelt strich. Sarah wich nicht zurück und hielt seinem prüfenden Blick stand. Dicht vor ihr blieb Kamal endlich stehen, und für einen Augenblick, der beiden wie eine Ewigkeit erschien, schwebten ihre Gesichter voreinander – die dunklen Gesichtszüge des Wüstensohnes und die vergleichsweise bleiche Miene der englischen Lady.
    Und ohne, dass sie es eigentlich wollten oder es hätten verhindern können, bewegten sich ihre halb geöffneten Münder aufeinander zu. Sarah schloss die Augen, kämpfte die widersprüchlichen Gefühle nieder, die in ihr aufkeimen wollten, und wartete darauf, dass Kamals Lippen die ihren berührten.
    Aber es kam nicht dazu.
    Ein peitschender Knall zerriss die Stille über der Wüste, gefolgt von dumpfem Hufschlag, der den Sand erbeben ließ.
    Das Lager wurde angegriffen…
     
     
    Kamal stand unbewegt, ein dunkler Schatten legte sich über seine Züge. »Zu spät«, flüsterte er. »Sie sind bereits hier.«
    »Wer?«, fragte Sarah, während das Donnern der Hufe anschwoll und weitere Schüsse fielen. Dazu erklang draußen heiseres Geschrei.
    »Unsere Feinde«, erklärte Kamal knapp. »Jene, die seit Jahrtausenden danach trachten, das Buch des Thot in ihren Besitz zu bringen und dafür vor keiner Untat zurückschrecken – die Erben Meherets.«
    »Die Erben Meherets? Du meinst…?«
    Sie kam nicht dazu, die Frage zu stellen, denn plötzlich war das laute Wiehern von Pferden zu hören. Durch die Bastmatten der Zeltwand waren schemenhaft die Gestalten heranstürmender Reiter zu erkennen, die schwarze Kaftane und Gesichtstücher trugen und in denen Sarah sofort den gesichtslosen Feind erkannte, auf den sie wiederholt getroffen war. Ihr Verdacht war damit bestätigt: Die Erben Meherets und die Verschwörer gegen das Empire waren dieselben…
    Die Vermummten lenkten ihre Tiere geradewegs auf das Zelt zu. Das hölzerne Gerippe zerbarst unter den Tritten der Vorderhufe, Bast und Stoff gaben nach – und im nächsten Moment brachen die Reiter in Kamals Zelt, bis an die Zähne bewaffnet mit Lanzen, Schwertern und kurzläufigen Flinten.
    Mit einem Aufschrei wich Sarah zurück, anders als Kamal, der entschlossen handelte. Aus einer weiten Falte seines Mantels hatte der Tuareg einen Revolver amerikanischer Fertigung hervorgeholt, in dem Sarah ihren eigenen erkannte. Kamal feuerte aus der Hüfte – und der vorderste der Angreifer kippte mit einem Aufschrei aus dem Sattel.
    Der zweite Reiter gab einen wütenden Schrei von sich, hasserfüllte Blicke stachen aus dem Sehschlitz. Kurzerhand legte der Vermummte seine Flinte auf Kamal an und wollte feuern. Der Revolver bellte ein zweites Mal. Zwar ging die Kugel fehl, aber das erschrockene Pferd bäumte sich wiehernd auf und warf seinen Reiter ab, geradewegs in die geborstenen Stangen der Zeltkonstruktion, die ihn pfählten.
    »Sarah!«, rief Kamal und warf ihr den Colt zu, während er selbst sein Schwert aus der Scheide riss. Sarah fing die Waffe aus der Luft auf und wandte sich den Angreifern zu – gerade, als der nächste von ihnen durch die

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