Der Schatten von Thot
»Ich habe beinahe Angst, danach zu fragen…«
»Sie werden an eine der Sklavenkarawanen verkauft und meistbietend verschachert. Die Männer erwartet Arbeit in den Minen, die sie keine zwei Monate überleben. Die Kinder und die Frauen hingegen…«
»So genau wollte ich es gar nicht wissen«, fiel Sarah ihm ins Wort. »Denken Sie immer noch, dass wir verhandeln sollten, Mr. Fox?«
»Nun«, gestand der Inspector von Scotland Yard errötend ein, »in diesem besonderen Fall… Was ist das?«
Der Warnruf eines der Posten, die Sarah und Kamal rings um die Stellung verteilt hatten, ließ Fox aufhorchen. Der Mann – es war einer der Husaren – deutete aufgeregt hinaus in die Dunkelheit. Da die Feuer im Lager heruntergebrannt waren und nur noch hier und dort schwache Glut schwelte, herrschte ringsum tiefe Schwärze. Und aus dieser Schwärze löste sich im nächsten Moment ein Reiter.
Es war ein einzelner Mann, der sich zu Pferd der Stellung näherte. Haydens Säbel in der Hand, blickte Sarah dem Reiter gefasst entgegen, und atmete innerlich auf, als sie sah, dass der Mann den roten Rock der königlichen Husaren trug.
»Farnsworth, es ist Farnsworth«, rief Milton Fox aufgeregt – aber etwas schien mit Pferd und Reiter nicht zu stimmen.
Nur ganz langsam näherte sich das Tier. Immer wieder blieb es stehen und scharrte mit den Hufen, während sich seine Formen stückweise aus der Dunkelheit schälten. Sarahs anfängliche Erleichterung schlug in blankes Entsetzen um, als sie sah, dass der Körper, der auf dem Rücken des Pferdes saß, keinen Kopf mehr besaß.
»Farnsworth«, entfuhr es Sir Jeffrey. »Wie grässlich…«
In etwa zehn Yards Entfernung blieb das Pferd stehen, die grausige Staffage auf dem Rücken. Mit Hilfe von Stricken und zwei gekreuzten Lanzen war der kopflose Torso auf den Sattel gebunden worden: eine Botschaft der Vermummten, deren Bedeutung nur zu klar war…
Entsetzt wandte Sarah ihren Blick ab und schaute in die von Grauen gezeichneten Gesichter ihrer Gefährten. Sir Jeffrey bekreuzigte sich und sprach leise Gebete, Milton Fox war kreidebleich geworden.
»Das Böse«, flüsterte Kamal tonlos. »Nach all den Jahrtausenden ist es noch immer am Wirken…«
Sarah war fassungslos. Ihr Innerstes empörte sich gegen solche Barbarei, und zu ihrem Entsetzen über die grausame Bluttat gesellte sich unbändige Wut auf den unbekannten Feind. Angewidert rammte sie Haydens Säbel in den Sand und erhob sich; dass sie dadurch ohne Deckung und den Kugeln des Feindes schutzlos ausgeliefert war, ignorierte sie in ihrem Zorn.
»Verdammt!«, schrie sie hinaus in die Nacht. »Was soll das? Wo steckt ihr? Zeigt euch, ihr elenden Feiglinge, oder seid ihr nicht einmal Manns genug, einer wehrlosen Frau gegenüberzutreten?«
Zunächst sah es aus, als würde keine Reaktion erfolgen. Sarah starrte hinaus in die Nacht, wissend, dass sich der grausame Feind irgendwo in der Dunkelheit verbarg – als sich plötzlich erneut ein Schatten aus der Finsternis löste.
Wieder war es ein Reiter, der allerdings sein Haupt noch auf den Schultern und die schwarze Robe der Angreifer trug. Sein Gesicht war bis auf einen schmalen Schlitz verhüllt, seine Augen blitzten im spärlichen Fackelschein.
»Sieh an«, rief Sarah ihm wütend entgegen. »Zeigen die Wüstenratten nun endlich ihr Gesicht?«
Der fremde Reiter ging nicht darauf ein. Bis auf zwanzig Yards kam er heran, er schien sich sehr sicher zu sein, dass man nicht auf ihn schoss. Dann zügelte er sein Pferd und taxierte Sarah mit einem Blick, der ihr das Blut in den Adern gerinnen ließ.
»Ihr seid besiegt«, gab er bekannt. Sein arabischer Akzent war ausgeprägt, sein Englisch dennoch gut verständlich. »Entweder, ihr geht auf unsere Bedingungen ein, oder ihr werdet den Morgen nicht erleben.«
»Ihr stellt uns Bedingungen?«, fragte Sarah forsch. »Nachdem wir so viele von euch getötet haben?«
»Auf beiden Seiten sind Krieger gefallen«, kam es zurück, »aber eure Zahl ist gering, und ihr habt kaum noch Munition. Unseren nächsten Angriff werdet ihr nicht überleben. Deshalb rate ich euch, unsere Bedingungen anzunehmen, oder ihr alle werdet enden wie der Rotrock.«
»Und wie sehen diese Bedingungen aus?«, wollte Sarah wissen. Es widerstrebte ihr, es sich einzugestehen, aber der Anführer der Vermummten hatte Recht, mit jedem einzelnen Wort. »Wollt ihr uns versklaven und an nubische Händler verschachern?«
»Nein«, eröffnete der Reiter kurzerhand. »Wir
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