Der Schatten von Thot
Leidenschaft von mir.« Der königliche Berater lächelte entschuldigend. »Aber es gibt einen bestimmten Grund, weshalb ich Sie hierher gebeten habe, Lady Kincaid.«
»Davon gehe ich aus«, erwiderte Sarah vorsichtig, während sie sich fragte, wann der beste Zeitpunkt sein würde, um Sir Jeffrey die Wahrheit über ihre zweite Audienz beim Duke of Clarence mitzuteilen. »Und werden Sie mir diesen Grund verraten?«
»Gewiss. Vorher aber erlauben Sie, dass ich Ihnen noch einige Fragen stelle.«
»Nur zu«, forderte Sarah ihn auf. »Soweit es mir möglich ist, werde ich gerne antworten.«
»Sind Sie nach wie vor überzeugt davon, dass eine Verbindung zwischen den Morden im East End und dieser ominösen ägyptischen Kultbewegung besteht?«
»Allerdings.«
»Und Sie denken, dass diese Leute auch hinter der Entführung Ihres Onkels stecken könnten?«
»Das habe ich bereits deutlich gemacht, oder nicht?«
»Lady Kincaid«, sagte Hull, den versteckten Vorwurf überhörend, »ich werde Ihnen jetzt noch eine letzte Frage stellen, und ich erwarte, dass Sie mir mit aller Offenheit antworten: Halten Sie es tatsächlich für möglich, dass dieses Feuer des Re, von dem Sie uns erzählt haben, existiert? Dass diese Sektierer danach suchen und es allen Ernstes eine Gefahr für den Fortbestand des Empire darstellen könnte?«
Sarah hielt dem prüfenden Blick des königlichen Beraters stand. »Ja«, sagte sie, ohne mit der Wimper zu zucken.
»In diesem Fall, Lady Kincaid, teile ich Ihnen mit, dass die Ägyptische Gesellschaft beschlossen hat, eine Expedition auszurüsten, die nach Ägypten reisen und vor Ort versuchen soll, das Rätsel zu entwirren.«
»Was?« Sarah glaubte, nicht recht zu hören. »Aber sagten Sie nicht, dass meine Verdachtsmomente nicht ausreichen, um – wie nannte Mister Devine es gleich? – ›im fernen Ägypten einem Phantom nachzujagen.‹«
»Ich weiß sehr gut, was während unseres letzten Treffens gesprochen wurde, und bitte nehmen Sie meine Entschuldigung dafür an. Die Entführung unseres gemeinsamen Freundes Mortimer Laydon hat gezeigt, dass womöglich ungleich mehr hinter Ihren Vermutungen steckt, als wir zunächst annehmen konnten.«
»In der Tat«, sagte Sarah und kam sich dabei vor wie in einem Traum. Jäh wurde ihr bewusst, dass sie ihr Wort dem königlichen Erben gegenüber nicht würde brechen müssen – und unwillkürlich fragte sie sich, welcher glücklichen Fügung sie diese unerwartete Wendung zu verdanken hatte.
»In der Zwischenzeit«, Sir Jeffrey räusperte sich verlegen, »sind dem Vorsitzenden der Liga Ihre Theorien zu Ohren gekommen, und er hat das Präsidium davon überzeugt, dass sie es wert sind, vor Ort überprüft zu werden. Es ist dabei der ausdrückliche Wunsch des Vorsitzenden, dass Sie die Leitung der Expedition übernehmen sollen, Lady Kincaid.«
»Der ausdrückliche Wunsch des Vorsitzenden?« Sarah hob die Brauen. »Wir sprechen hier über den Duke of Clarence, richtig?«
»Das Präsidium«, wich Sir Jeffrey einer direkten Antwort aus, »ist zu dem Schluss gekommen, dass rasches Handeln erforderlich ist. Angenommen, es sind tatsächlich fanatische Sektierer, die hinter Doktor Laydons Entführung stecken, so werden sie versuchen, ihm kompromittierende Details über den Gesundheitszustand des Duke of Clarence zu entlocken. Immerhin ist er königlicher Leibarzt und in Kenntnis vertraulicher Details.«
»Ich verstehe.« Sarah nickte. Der Herzog selbst war es also, der hinter dieser unerwarteten Wendung steckte. Ahnte er, was er unter dem Einfluss der Hypnose verraten hatte? Hatte er geahnt, was Sarah vorhatte, und ihr zuvorkommen wollen? Oder fürchtete er tatsächlich nur um seine Reputation? Wie auch immer – er hatte Sarah einen wertvollen Dienst erwiesen…
»Die offizielle Aufgabe der Expedition«, fuhr Sir Jeffrey fort, »wird es sein, neue wissenschaftliche Erkenntnisse über Hermopolis Magna zu gewinnen. Inoffiziell jedoch«, – er senkte die Stimme –, »wird es darum gehen, die Wahrheit über den Thot-Kult und das Feuer des Re herauszufinden. Sind es tatsächlich fanatische Sektierer, die hinter den Morden von Whitechapel stecken, so müssen sie gefasst und zur Rechenschaft gezogen werden. Und ich hoffe und bete, dass wir dadurch auch Ihrem Onkel helfen können – wohin auch immer er verschleppt worden sein mag.«
»Wir?«, fragte Sarah.
»Ich werde die Expedition persönlich begleiten«, stellte Sir Jeffrey fest. »Als ein alter Freund Mortimer
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