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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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dieser geachteten und allseits geschätzten Gesellschaft waren? Das würde bedeuten, dass keine heidnischen Fanatiker das Empire bedrohten, keine radikalen Aufständischen und keine Feinde von außen, sondern Verschwörer, die sich als ehrenwerte Gentlemen tarnten, in Wahrheit jedoch ein dunkles Geheimnis hüteten…
    »Alles in Ordnung, Lady Kincaid?«, erkundigte sich Hayden mit ehrlicher Besorgnis. »Sie sehen blass aus.«
    »Es geht mir gut«, versicherte Sarah.
    »Vielleicht sollten Sie Ihre Teilnahme an dieser Expedition noch einmal überdenken – immerhin steht das Leben Ihres Onkels auf dem Spiel, und ich bin mir nicht sicher, ob Sie mit dieser Belastung…«
    »Es geht mir gut«, wiederholte Sarah energisch, während sie sich klarmachte, dass sie von nun an sehr, sehr vorsichtig sein musste.
    Der Feind konnte überall lauern.
     
     
    Ein Raum ohne Fenster, verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit. Zwei Männer, die sich mit gedämpften Stimmen unterhielten, ohne einander dabei in die Augen zu sehen.
    »Nun?«
    »Ich denke, wir müssen uns keine Sorgen mehr machen. Die Expedition wurde bewilligt. Das Schiff, das Sarah Kincaid und ihre Begleiter nach Ägypten bringen wird, wird in wenigen Tagen auslaufen.«
    »Ahnt Kincaid etwas?«
    »Ich denke nicht. Sie ist so sehr darauf konzentriert, den Mörder von Whitechapel zu fassen und ihren Onkel zu finden, dass sie nicht im Traum vermutet, ihre Reise könne in Wahrheit einem ganz anderen Ziel dienen.«
    »Umso besser.«
    »Sarah Kincaid ist eine kluge und mutige junge Frau, aber sie teilt die Naivität ihres Vaters. Sie wird uns einen wertvollen Dienst erweisen, dessen bin ich sicher.«
    »Ich wünschte, ich könnte Ihren Optimismus teilen. Bei allen Fehlschlägen, die hinter uns liegen…«
    »Nicht dieses Mal. Ich bin überzeugt davon, dass Kincaid finden wird, wonach wir suchen. Sie ist um vieles beharrlicher, als es den Anschein hat, und ihr wird gelingen, was bisher keinem gelang.«
    »Das klingt fast, als würden Sie sie bewundern.«
    »Vielleicht, ein wenig.«
    »Ihre Bewunderung in allen Ehren – Ihnen ist aber doch hoffentlich klar, dass Sarah Kincaid niemals lebend aus Ägypten zurückkehren darf?«
    »Natürlich. Sobald sie das Buch von Thot gefunden hat, wird sie sterben.«
    »Und der Franzose? Was ist mit ihm?«
    »Er ist ein Ärgernis, und es betrübt mich, dass er noch immer am Leben ist. Der Zwischenfall in der Tenter Street war ein törichter Irrtum. Dass statt des neugierigen Franzosen ein Inspector des Scotland Yard sein Leben ließ, hat uns mehr Aufmerksamkeit eingetragen, als uns recht sein kann.«
    »Wenn du Gard es tatsächlich geschafft hat, dem Duke of Clarence einige Geheimnisse zu entlocken, so ist er höchst gefährlich und muss aus dem Weg geräumt werden, ehe es ihm gelingt, etwas über unsere wahren Ziele in Erfahrung zu bringen.«
    »Ich dachte, Sie glauben nicht an seine Künste?«
    »Was ich glaube, ist nicht von Belang. Wenn du Gard tot ist, wird er nichts mehr verraten können, und nur darauf kommt es an. Am Ende wird niemand danach fragen, wie viele Menschenleben der Sieg gekostet hat. Wie bei allen großen Leistungen der Vergangenheit wird es nur darum gehen, wer am Ende triumphiert. Die Geschichte wird von Siegern geschrieben – das ist schon immer so gewesen…«

 

     
     
     
    II. B UCH
     
    ÄGYPTEN

 
    1
     
     
     
    E XPEDITIONSBERICHT
    28. N OVEMBER 1883
     
    Ich kann kaum glauben, was ich getan habe.
    Eben noch habe in der Abgeschiedenheit des fernen Yorkshire gelebt, getreu meinem Vorsatz, mich aus allem herauszuhalten – und nun bin ich dabei, mich Hals über Kopf in ein neues Abenteuer zu katapultieren, dessen Ausgang in höchstem Maße ungewiss ist.
    Manchmal wünschte ich mir, ich könnte noch zurück, aber dann spüre ich wieder jene Unruhe, die mich dazu drängt, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Ich bin es den Mordopfern und Mortimer Laydon schuldig – und letztlich auch meinem Vater. Vielleicht hatte er Recht, als er mir einst sagte, dass ich nicht anders könnte, als dem Ruf des Unbekannten zu folgen, und dass es meine Bestimmung wäre, Geheimnissen nachzuspüren, so wie er es sein leben lang getan hat. Möglicherweise ist es auch die Aussicht, auf dieser Expedition Wiedergutmachung üben zu können, die mich lockt. Denn damals wie heute ist das leben eines Menschen bedroht, den ich liebe.
    Am frühen Morgen hat der Dampfsegler mit dem Namen Rule Britannia den Hafen von London verlassen. An

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