Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
bei näherer Betrachtung nichts Feindseliges mehr erkennen konnte. »Lasst Gnade walten und tut mir nichts zuleide! Ich bin ein Freund!«
    »Unsinn«, tönte der Offizier, der es sichtlich genoss, den Retter zu spielen. »Freunde schleichen sich nicht hinterrücks an wehrlose Frauen heran.«
    »Aber es stimmt, ich bin ein Freund!«, versicherte der andere in gut verständlichem Englisch. »Ich sollte Sie hier treffen. Mein Name ist Kamal…«
    »Du bist Kamal?«, fragte Sarah verblüfft.
    »Ja, Mylady.« Er schaute sie hilflos und aus großen Augen an. »Und Sie sind sicher Sarah Kincaid, die Tochter des großen Gardiner, der so viel für mein Land getan hat.«
    »Nun – das stimmt.«
    »Bitte, Herr«, wandte der Ägypter sich flehend an Hayden. »Stecken Sie die Klinge weg und lassen Sie mich aufstehen, damit ich die Lady angemessen begrüßen kann.«
    »Nun, ich…«
    »Los doch, Hayden«, drängte Sarah. »Sie haben eindrucksvoll bewiesen, dass Sie in der Lage sind, mich zu beschützen – und dabei um ein Haar unseren Führer aufgespießt. Meine Gratulation.«
    Während der Offizier errötete und mit einer leisen Verwünschung die Waffe zurück in die Scheide rammte, half du Gard dem unglücklichen Kamal auf die Beine. Lamentierend beschwerte sich dieser, dass sein Kaftan nun über und über schmutzbesudelt wäre, und klopfte sich gestenreich den Staub von den ohnehin ziemlich schäbigen Kleidern.
    »Mein Name ist Kamal«, stellte er sich anschließend noch einmal vor und verbeugte sich in unerwarteter Galanterie. »Zu Ihren Diensten, Mylady.«
    »Danke, Kamal«, erwiderte Sarah. »Und bitte entschuldige die etwas rüde Begrüßung – Captain Hayden neigt dazu, hinter jedem sonnengebräunten Gesicht einen Feind zu vermuten.«
    »Und das nicht von ungefähr«, schnaubte Hayden, noch ehe Kamal etwas erwidern konnte. »Diesem schmutzigen Gesindel ist nicht zu trauen, das hat sich schon oft bewahrheitet.«
    »Schmutziges Gesindel? Wollen Sie mein Volk beleidigen, Sir?« Kamals Gestalt straffte sich, und trotz seines schäbigen Kaftans und seiner staubigen Erscheinung verrieten seine Züge unbeugsamen Stolz.
    »Da ist nichts zu beleidigen«, meinte Hayden überzeugt. »Oder solltest du anderer Ansicht sein, boy?«
    Der Offizier hatte absichtlich den geringschätzigsten Ausdruck benutzt, den das englische Vokabular für einen Bediensteten zur Verfügung stellt. Sarah konnte sehen, wie in den Augen des Ägypters spontane Wut aufflackerte und er seine Fäuste ballte – aber Kamal beherrschte seinen Zorn und senkte demütig sein Haupt.
    »Nein, Herr«, sagte er leise. »Kamal steht zu Ihren Diensten.«
    »Na also«, meinte der Offizier selbstgefällig. »Dann geh jetzt und sorg dafür, dass wir eine Kutsche bekommen – und zwar eine, die einer Lady würdig ist. Oder erwartest du, dass Lady Kincaid durch Staub und Kameldung wandert?«
    »Natürlich nicht, Herr«, erwiderte der Ägypter halblaut und verbeugte sich. Schon wollte er davonhuschen, um die Anweisung zu befolgen, aber Sarah hielt ihn zurück.
    »Einen Augenblick noch, Kamal.«
    »Ja, Herrin?«
    »Es ist nicht notwendig, dass du mich ›Herrin‹ nennst – Lady Kincaid genügt völlig. Und du wirst nicht gehen, ehe Captain Hayden sich nicht in aller Form bei dir entschuldigt hat.«
    »Was?« Aus Haydens kantigen Zügen sprach Unverständnis.
    »Sie haben schon verstanden, Captain«, sagte Sarah kühl. »Ich wünsche, dass Sie sich bei Kamal entschuldigen. Er ist nicht Ihr Leibeigener, sondern unser Führer auf der bevorstehenden Reise, und ich persönlich bin ihm für seine Dienste sehr dankbar. Ihn zu behandeln, wie Sie es getan haben, ist in keiner Weise angemessen.«
    Hayden schnappte nach Luft, eine Erwiderung brachte er nicht über die Lippen. Es war deutlich zu sehen, wie sich sein Unverständnis in höchste Empörung wandelte. »Niemals«, presste er schließlich unter heftigem Kopfschütteln hervor. »Sich vor einem Diener zu entschuldigen ist eines Offiziers der britischen Krone nicht würdig.«
    »Keineswegs, Sir«, konterte Sarah, »unwürdig ist es, sich zu benehmen, als würden Ihre Herkunft und Ihre Hautfarbe Sie zu etwas anderes als einem Menschen machen. Aber wenn Sie Wert auf Ihre Haltung legen, so kann ich bei Sir Jeffrey natürlich auch verlangen, dass ein anderer Offizier die Expedition begleitet. Ich bin sicher, dass es genügend Freiwillige gibt, die an Ihrer Stelle gerne zum Major befördert werden wollen…«
    »Schon gut«, wehrte

Weitere Kostenlose Bücher