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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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etwas unsicheren Beinen. Feierlich hob er sein bereits halb geleertes Glas, und seine Miene nahm einen entrückten Ausdruck an, als er sagte: »Auf Ihre Majestät, die Königin.«
    »Auf die Königin«, bestätigte Hayden und erhob sich ebenfalls – du Gard konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    »Darf man fragen, was daran so komisch sein soll?«, erkundigte sich Hayden verärgert.
    »Nichts, messieurs, das ist es ja. Ich frage mich allerdings, was vernunftbegabte Menschen an diesem Theater so faszinierend finden.«
    »Theater? Sie bezeichnen die Liebe zu Vaterland und Königin als Theater?«
    »In gewisser Weise – durchaus.«
    »Dann sollten Sie sich rasch erklären«, verlangte Hayden. »Andernfalls könnten Mister Fox und ich Ihre Worte als unverzeihliche Beleidigung auffassen.«
    »Alors, ich denke, dass es sich mit dem Stolz auf die eigene Nation ebenso verhält wie mit Alkohol unter heißer Sonne – man darf ihn sich nur in sehr eingeschränktem Umfang gönnen. Andernfalls wird es über kurz oder lang zu einer Katastrophe von bislang ungekannten Ausmaßen führen.«
    »Zu einer Katastrophe? Wovon sprechen Sie?«
    Du Gards Lächeln war wissend und traurig zugleich. »Glauben Sie mir, mon capitaine, das wollen Sie nicht wissen. Und selbst wenn Sie es wissen wollten, wäre ich nicht befugt, es Ihnen zu sagen.«
    »Sie sind dazu nicht befugt? Was soll das nun wieder heißen?«
    »Was wohl?«, mutmaßte Fox. »Er spielt damit auf seine angebliche Fähigkeit an, hellsehen zu können.«
    »Ist das wahr?«, fragte Hayden.
    »Die Leute reden viel«, wich der Franzose aus.
    »Aber haben sie Recht? Bilden Sie sich tatsächlich ein zu wissen, was in der Zukunft geschieht?«
    »Bisweilen durchaus.« Du Gard nickte. »Aber glauben Sie mir, messieurs, es ist kein Privileg, die Zukunft zu kennen, vielmehr eine Last. Denn Sie können sich nicht aussuchen, was Sie sehen, und so bekommen Sie Dinge vor Augen geführt, die Ihnen Angst machen. Bilder von kommenden Kriegen, vom Tod derer, die Sie lieben – selbst Ihr eigenes Ende.«
    »Heißt das, Sie wissen, wann Sie sterben?«
    Du Gard blickte ihn durchdringend an. »Oui«, sagte er nur.
    »U-und meinen Tod?«, fragte Fox ängstlich. »Können Sie den auch sehen?«
    »Ich bedaure, monsieur«, entgegnete du Gard. »Wie ich schon sagte, kann ich nur die Zukunft derer sehen, die mir nahestehen. Und bei allem Respekt – das tun Sie nicht.«
    »Und Lady Kincaid?«, wollte Hayden wissen, während der Inspector sich beleidigt abwandte. »Haben Sie auch in ihre Zukunft geblickt?«
    »Oui.«
    »Ist das der Grund dafür, dass Sie so seelenruhig sind, während sie völlig schutzlos dort draußen ist, unter all diesen Arabern und Farbigen?«
    »Sie dürfen mir glauben, Captain Hayden, dass Sarah dort, wo sie sich aufhält, keine Gefahr droht.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Ich weiß es«, antwortete du Gard nur.
    »Dann wissen Sie auch, wohin sie gegangen ist?«
    »Oui.«
    »Und das sagen Sie erst jetzt?«
    Du Gard zuckte mit den Schultern. »Offen gestanden, mon capitaine, sah ich keine Veranlassung, es Ihnen zu sagen. Zumal Sarah mich um Stillschweigen gebeten hat.«
    »Und wenn Sie sich in Gefahr befindet?«
    »Ihr droht keine Gefahr.«
    »Das sagen Sie. Aber stellen Sie sich vor, du Gard – ich glaube nicht an Hellseherei und all den anderen Hokuspokus. Und wenn ich die Möglichkeit habe, nach Lady Kincaid zu sehen und mich persönlich zu vergewissern, dass es ihr gut geht, so werde ich…«
    »Sie haben diese Möglichkeit aber nicht, Captain Hayden«, entgegnete du Gard kaltschnäuzig. »Ihre Anwesenheit wird von Lady Kincaid nicht gewünscht.«
    Stuart Hayden schnaubte wie ein Stier – und im nächsten Moment verlor er alle Zurückhaltung. »Sie arroganter französischer…«
    »Contenance, mon capitaine«^ rief du Gard ihn zur Räson. »Es war nicht meine Idee. Lady Kincaid hat mich persönlich darum gebeten…«
    Er unterbrach sich plötzlich und stutzte, schloss die Augen und lauschte in sich hinein.
    »Was ist?«, erkundigte sich Hayden aufgebracht. »Was bezwecken Sie nun wieder mit dieser Vorstellung?«
    Du Gard schlug die Augen wieder auf. Sein Blick hatte sich verändert. Eine unausgesprochene Warnung lag plötzlich darin.
    »Etwas stimmt nicht«, sagte er leise.
     
     
    Kesh war ein loyaler Diener.
    Von dem Tag an, als Ammon el-Hakim ihn als Kind von der Straße aufgelesen und ihm eine Bleibe und ein Heim gegeben hatte, hatte seine ganze Liebe dem alten

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