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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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trüber Strom von Gedanken und Empfindungen ohne die Spur einer Ordnung …
    Kein Wunder, dass Aethon sich wie ein Ertrinkender vorkam.
    Wenn er geahnt hätte, was ihn erwartete, wäre er lieber gestorben, als sich in eine Umgebung zu versetzen, die ihm so schrecklich zuwider war. Seine umfassende Intelligenz und der unerschöpfliche Speicher der Erinnerungen seines Volkes passten nicht in dieses schlichte, beschränkte Gehirn, das unter dieser Anforderung auseinanderzubrechen drohte. Die Qual war ungeheuerlich.
    Als müsse man in zu engen Schuhen laufen.
    Wie war diese fremde Vorstellung in ihn eingedrungen? Aethon stieß einen Angstschrei aus, aber nur die dünne Stimme eines Menschen quiekte in der Dunkelheit. Verseuchung? Vermischten sich nun schon Gedanken dieses Menschen mit seinen eigenen? Aethon erstarrte wie ein Fisch im zugefrorenen Teich. Wie konnte ich nur denken, dass es so gehen würde?, dachte er. Dass die Bewusstseine zweier Arten in demselben Geist wohnen könnten?
    Mit großer Entschlossenheit kämpfte der Drache gegen die wahnsinnig machenden Schmerzen an, die seinen Verstand behinderten, und versuchte, sich über seine neue Lage klar zu werden. Die traumatische Phase mentalen Aufruhrs und der Desorientierung hatte die stoffliche Welt bislang vollkommen ausgeschlossen, sodass er als Erstes eine Beurteilung seiner Umgebung vornehmen musste. Denn sein neuer Körper war viel weniger robust und belastbar als sein ursprünglicher. Physische Gefahren stellten nun eine größere Bedrohung dar.
    Überrascht stellte er fest, dass er sich nicht mehr auf dem Gebirgspass befand. Sein menschlicher Körper lag vielmehr steif und schmerzend auf einer weichen, klumpigen Oberfläche, die unangenehm nach feuchtem Staub roch. Er versuchte sich aufzurichten, aber der Körper gehorchte ihm nicht. Um ihn herum war es stockfinster. Er war also nicht nur bewegungsunfähig, sondern auch blind!
    Zum zweiten Mal drohte ihn die Panik zu überwältigen. Die Sinne eines Drachen kannten solche Dunkelheit nicht. Ihr Sehvermögen umspannte ein weites Spektrum, das Erkennen von Wärmespuren und scharfe Sicht über immense Entfernungen eingeschlossen. Ihre glitzernden gewölbten Augen erfassten nahezu den gesamten Umkreis, von dem nur ein kleiner blinder Fleck am Hinterkopf ausgeschlossen war.
    Doch eine andere, viel furchtbarere Erkenntnis dämmerte ihm, während er die Grenzen seines neuen Verstandes auslotete. Ihm fiel auf, dass seine körperliche und seine geistige Wahrnehmung sich kaum mehr voneinander unterschieden; und so bemerkte er, wie er das Fehlen eines Flügels oder eines Gliedes an seinem Drachenkörper bemerkt hätte, dass sein Wirt keine telepathischen Fähigkeiten besaß – und er selbst darum auch nicht mehr. Damit war er taub und stumm, ohne dass sich daran etwas ändern würde! Woher soll ich die Kraft nehmen, um das zu ertragen?, dachte er mit wachsender Verzweiflung. Verkrüppelt und eingeschlossen, bis dieser Mensch am Ende seiner Tage anlangte …
    Ich wäre besser tot …
    Wieder kämpfte Aethon gegen seine Angst an, bis er sie bezwungen hatte. Nun, Seher, beruhige dich!, sprach er zu sich selbst. Ich habe Verantwortung gegenüber meinem Volk. Trage all sein Wissen in mir. Wenn ich den leichtesten Weg hätte wählen wollen, wäre ich still auf dem Pass gestorben. Also werde ich die Lage rational betrachten, anderenfalls ist alles verloren. Die Dunkelheit, das Fehlen der Witterung, die stickige, unbewegte Luft und das gleich bleibende unterschwellige Gefühl einer Begrenzung deuteten darauf hin, dass er sich in einer Art Gebäude befand. Er musste hierher gebracht worden sein, ohne es zu merken, während er noch im Zustand der Verwirrung war. Was, wenn dieser Zustand zurückkehrte? Der Gedanke weckte die Angst erneut. Eine zweite Phase der Bewusstlosigkeit konnte tödlich sein.
    Plötzlich merkte Aethon, wie sein geliehener Körper sich umzudrehen versuchte, und zwar ohne sein Zutun. Erschrocken erinnerte er sich an den anderen Geist, den wahren Besitzer dieses Leibes, der offenbar wach war und sich durchzusetzen versuchte. Bis dahin hatte Aethon dem unbekannten Menschen wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Er hatte lediglich von dessen Körper Besitz ergriffen und scheute, obwohl er darüber ein leises Schamgefühl empfand, schon vor dem bloßen Gedanken an eine eingehende Untersuchung seines Mitbewohners zurück. Der Schrecken einer Kontamination, einer unlösbaren Verschmelzung beider Persönlichkeiten baute

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