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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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zerbrechlich aus! Zart wie eine Schlüsselblume war sie ihm erschienen – dabei war sie zäher und erfahrener als er, der er an Jahren das Doppelte zählte.
    Presvel wusste, dass er eine Torheit beging. Schließlich waren Besuche bei den Huren der Unterstadt für ihn nichts Neues mehr. Schon seit Jahren kam er an den wenigen freien Abenden hierher, da er durch Seriemas Eifersucht vom normalen Umgang mit Frauen abgeschnitten war. Er kannte seine Herrin genau. Er hatte sich im Laufe der Zeit unentbehrlich gemacht, indem er jede ihrer Stimmungen beobachtete und ihre Wünsche voraussah – und er wusste vollkommen sicher, dass ihr dringendstes Bedürfnis darin bestand, die einzige Frau in seinem Leben zu sein. Gleichwohl war die körperliche Liebe zwischen ihnen ausgeschlossen. Sie erwartete von ihm, dass er sich ihr vollkommen widmete, als ob er ihr Lebensgefährte oder Geliebter wäre. Niemals hätte sie es hingenommen, seine Aufmerksamkeit mit einer anderen Frau teilen zu müssen. Tatsächlich befürchtete er, dass ihre Reaktion so heftig ausfiele, dass er oder seine Geliebte die Auseinandersetzung nicht überleben würde.
    Bisher war Presvel der Ansicht gewesen, dass sein Gewinn den Preis wert wäre, den er entrichten musste. Abgesehen von ihrer unglücklichen Neigung, von ihm Besitz zu ergreifen, war Seriema keine anspruchsvolle Herrin für jemanden, der so umsichtig und tüchtig war wie er. Zugegeben, seine Kleidung war sehr schlicht, dafür aber von allerbester Güte und vom ersten Schneider der Stadt gefertigt. Er genoss also Luxus und hohes Ansehen und lebte im feinsten Haus von Tiarond. Außer der Sache mit den Frauen konnte er von ihr haben, was er wollte, und ihr dabei einreden, es sei allein ihre Idee gewesen.
    Bisher war er immer der Ansicht gewesen, dass sein Gewinn den Preis wert wäre.
    Bislang hatte er sein Geheimnis dadurch gehütet, dass er sich strenge Beschränkungen auferlegte und jede Frau, die er beschlief, nur einmal traf, und jedes Mal ein anderes Stadtviertel aufsuchte. Dieses Mädchen jedoch hatte ihn verzaubert. Er hatte sie erst zweimal getroffen und konnte kaum erwarten, sie wiederzusehen.
    Presvel bog um die Ecke und sah die erleuchteten Fenster des Wirtshauses. Die Laterne über der Tür beschien das Schild, das einen Jäger mit Pfeil und Bogen zeigte. Sie stand nicht, wie verabredet, draußen, und ihm sank das Herz. Hatte sie ein besseres Angebot erhalten? Einen Kunden, der ihr mehr bezahlen konnte? Zum ersten Mal in seinem Leben erfuhr er, was es hieß, sich in eifersüchtiger Wut zu verzehren, und er verfluchte den schändlichen Wankelmut der Hure. Doch dann, als er gerade fortgehen wollte, trat sie aus der dunklen Gasse seitlich des Hauses. Sie war blass und zitterte. Ihr feines lockiges Haar glänzte hellgolden im Lampenschein, und der Schnee darauf glitzerte wie Diamanten. Sein Herz tat einen Sprung, und er richtete seinen Zorn gegen sich selbst, weil er die Arme in der Kälte hatte stehen lassen.
    Presvel rief sie beim Namen und lief auf sie zu. Zum ersten Mal überhaupt wusste er, mit wem er schlief. Ihr Name war Rochalla – und mehr als alles andere in der Welt wollte Presvel sie aus diesem Leben befreien und ihr all die Sicherheit und Bequemlichkeit geben, die sie nie gekannt hatte.
     
    Rochalla freute sich, ihren Kunden zu erblicken. Das überraschte sie, und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Die Männer waren ihr Lebensunterhalt, mehr nicht. Sie durfte es nicht wagen, eine Zuneigung zu hegen und sich von jemandem abhängig zu machen. Sie war es gewohnt, für sich selbst zu sorgen, und sie hatte auch für ihre Familie gesorgt, bis die schwarze Zeit angebrochen war und der monatelange Regen, der die Krankheiten mit sich gebracht hatte. Ihr Vater war Bergarbeiter gewesen und vor zwei Jahren bei einem Steinschlag ums Leben gekommen. Ihre Mutter war ihm aus Trauer ins Grab gefolgt und hatte Rochalla, erst dreizehnjährig, mit fünf Geschwistern zurückgelassen, von denen eines noch ein Wickelkind war.
    Da es niemanden gab, der für sie hätte sorgen können, plagte sich Rochalla seitdem ab, um ihre Geschwister zu ernähren. Jeden Tag vor Sonnenaufgang ging sie in die Tempelwäscherei in den Heiligen Bezirk und wusch die Bettwäsche und Gewänder der Priesterschaft. Anschließend durchquerte sie erschöpft die Stadt, um mit roten, vom Seifenwasser aufgeweichten Händen im Gasthaus ›Zum Schwarzen Greifen‹ zu arbeiten, das sich in der Nähe des Stadttors befand.

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