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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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würde ich auch nicht tun. Dieser verdammte Feuerdrache zieht das Unglück an wie ein Kadaver die Fliegen.«
    *Elion! Du hast keinen Grund, so unfreundlich zu sein!*, tadelte Thirishri. *Was du dem armen Drachen anhängen willst, trifft nach meiner Erfahrung viel mehr auf euch Menschen zu! Hier oben ist inzwischen alles still*, fuhr sie fort, *sodass ich schnell nach Tiarond husche und einen Blick in diesen Heiligen Bezirk werfe. Vielleicht kann ich herausfinden, wo Tormons Frau und sein Kind geblieben sind. Du kannst mich jederzeit rufen, wenn du mich brauchst.*
    Sie spürte schon, wie Elion seine Gedanken zu einem Einwand sammelte, aber sie wollte die Erwiderung nicht abwarten, sondern fuhr aus der Hütte und in die stürmische Nacht davon. Sie nahm den kürzesten Weg über den Kamm und sauste auf die Stadt zu.
     
    In den Straßen war es ruhig, als Presvel, in einen dicken pelzbesetzten Mantel gehüllt, noch einmal das Haus verließ. Es herrschte dichtes Schneetreiben. Ein Unbekannter in stürmischer Nacht, nahm er den Weg von Seriemas Anwesen im Viertel der Mächtigen und Reichen zu den zusammengepferchten Häusern, zu den engen verschlungenen Gassen der Unterstadt. Wie unterschiedlich kann doch der Wert sein, den die Menschen derselben Sache beimessen!, dachte er. Im Heiligen Bezirk zählt man ganz Tiarond, ausgenommen sich selbst, zur Unterstadt und achtet alle Viertel gleichermaßen gering. In den geräumigen Wohnungen rund um die Esplanade nennen wir unsererseits die übrigen Viertel die Unterstadt und betrachten die rechtschaffenen Arbeiter, die in den überfüllten Häusern wohnen müssen, mit Geringschätzung. Ich bin hier aufgewachsen und sollte es besser wissen – und dennoch, es ist seltsam, dass wir alle jemanden brauchen, auf den wir verächtlich herabsehen können. Die Arbeiter wiederum bezeichnen die Elendsviertel am Flussufer und die Gegend um die Schlachthäuser als Unterstadt und halten sich selbst fern von den Mittellosen, die in ihren verfallenen Hütten ein erbärmliches Leben fristen.
    Presvel belächelte sich selbst. Das war eben der Nachteil, wenn man einen analytischen Verstand besaß. Man konnte ihn nicht einfach ausschalten, wenn er unbequem wurde. Presvel war auf dem Weg zu seiner Geliebten. Er hätte voller Ungeduld, die Sinne von Leidenschaft beflügelt, dahineilen sollen, wenn es nach den Schundromanen ging, die Seriema heimlich las, nicht ahnend, dass er davon wusste – in der verschlossenen Nachttischschublade bewahrte seine Herrin dieses Machwerke auf und verschlang sie nachts zusammen mit beiseite geschafftem Kuchen.
    Das Dumme daran ist nur, dachte er wehmütig, dass die Ausdrucksweise vielleicht überladen und töricht ist, die beschriebenen Gefühle aber von der Wahrheit nicht so weit entfernt sind. Dieses Mädchen löste in ihm tatsächlich eine euphorische Verrücktheit aus, wie er sie nie gekannt hatte. Er würde alles für sie wagen, ihr alles geben und alles riskieren – obwohl sie nur eine gewöhnliche kleine Hure aus dem niedrigsten Viertel der Unterstadt war und Presvel für ihre Zeit bezahlte.
    Aber das ist nicht wahr, ich weiß es genau, dachte er. Sie ist keine gemeine Hure! Aber er musste doch zugeben, wenn er zu sich selbst ehrlich war, dass er das kaum wirklich beurteilen konnte. Dies würde erst ihr drittes Treffen sein. Und trotzdem!, dachte er. Soll es ruhig wie eine Zeile aus Seriemas unsäglichen Romanen klingen! Ich habe das Gefühl, als würde ich sie schon mein ganzes Leben lang kennen. Ich weiß es sicher, dass sie hart arbeitet. Er hatte ihre Hände gesehen. Sie selbst erschien ihm sehr jung für ihren Beruf, doch ihre Hände sahen aus wie bei einer alten Frau. Die Nägel waren abgebrochen und eingerissen, die Finger voller Blasen und Schwielen, der Handrücken narbig, die Knöchel gerötet und verschorft: die Spuren von Waschbrett und abgewetzten Bürsten. Presvel kannte sie. Seine Mutter, die an Überarbeitung gestorben war, bevor sie überhaupt alt werden konnte, hatte solche Hände gehabt. Als er das Mädchen darauf angesprochen hatte, war sie ihn angegangen wie eine in die Enge getriebene Ratte.
    »Glaubst du denn, das hier ist alles, was ich tue?«, hatte sie ihn angefaucht und sogleich erschrocken den Mund gehalten, um den Kunden nicht zu verlieren. Danach hatte es einiger Überredung bedurft, bis sie ihm von ihrem Arbeitstag erzählte. Die vielen Stunden und das schiere Ausmaß ihrer Arbeit hatten ihn entsetzt. Sie sah so jung, klein und

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