Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
Schloss eingeschmolzen hast. Was täten wir dann?«
»Ich bin niemals unbeholfen mit meinem Feuer!«, erwiderte Kaz gekränkt. »Typisch! Es gibt keine Dankbarkeit unter den Menschen …«, brummte er vor sich hin, während Toulac den Schlüssel ins Schloss steckte und herumdrehte. Die Angeln kreischten wie gequälte Seelen, als sie das Tor öffnete.
Dann tastete sie über Kopfhöhe nach einer Nische, von der sie wusste, dass dort eine Zunderbüchse und eine Öllampe bereitstanden. Schließlich zündete sie mit zitternder Hand die Lampe an, wobei sie sich mit dem Rücken gegen die Zugluft stellte. Das flackernde Licht erleuchtete einen langen Tunnel, dessen Wände an einigen Stellen glattgehauen waren.
Kaz wartete vor dem Eingang mit Veldan, die in eine Decke gewickelt auf seinem Rücken kauerte. Toulac stellte die Lampe für einen Moment in die Nische und half Veldan beim Absteigen. »Komm, mein Mädchen. Wir sind endlich im Trockenen.« Vollkommen erschöpft und durchgefroren wankten die beiden Frauen den Gang entlang. Hinter ihnen kroch vorsichtig der Drache in geduckter Haltung, den Bauch dicht über dem Boden. Etwa ein Dutzend Schritte hinter dem Tor fand sich rechter Hand, wie Toulac sich richtig erinnert hatte, ein offener Bogendurchgang. »Hier hinein«, sagte sie und musste sich zwingen, nicht zu flüstern. »Das ist der Wachraum.«
Sie ließen Kaz draußen und stolperten auf tauben Füßen in den Raum. Der schwankende Lichtkreis der Lampe beleuchtete einen Tisch mit Stühlen, vier Kojen mit zerschlissenen Vorhängen und eine große Herdstelle. »Da wären wir endlich«, seufzte Toulac, stellte die Lampe auf den Tisch und verfrachtete Veldan in die nächste Koje, wo sie sich zitternd zusammenrollte und die Augen schloss. »Nur einen Augenblick«, murmelte sie, »ich ruhe mich nur kurz aus.«
Toulac deckte sie mit einer Decke aus einer anderen Koje zu und widerstand dem Drang, einfach mit unter die Decke zu kriechen. Ihr war übel vor Hunger und schwindlig dazu, ihre Muskeln waren wie Pudding, und sie fühlte sich auf seltsame Weise von der Welt losgelöst, als ob sie ihre Umgebung nur durch einen grauen Dunstschleier wahrnähme. Energisch wandte sie sich von der Koje ab. »Mach schon!«, befahl sie sich. »Du musst nur noch ein bisschen durchhalten. Bis das Feuer angezündet ist.«
Neben dem Kamin befand sich ein Kohlenkasten, dazu Anmachholz und Torf. Toulac schichtete einiges davon ungeschickt in der Feuerstelle auf und rang sich die Erinnerung ab, wie man ein Feuer anzündet. Dann dachte sie angestrengt nach, in welche Tasche sie die Zunderbüchse gesteckt hatte, und als sie sie endlich gefunden hatte, brauchte sie fünf oder sechs Versuche, um eine Flamme hervorzubringen. Ihre Finger waren noch immer gefühllos, und die Flamme griff nicht auf den schlecht aufgeschichteten Stoß über, sondern erstarb in der Zugluft des Kaminschachts. Toulac wurde immer ungeduldiger und heftiger in ihren Bewegungen, bis ihr schließlich Feuerstein und Stahl aus der Hand fielen und in eine dunkle Ecke kollerten. Toulac machte ihrem Zorn mit einem Schrei Luft, doch vor Enttäuschung stiegen ihr die Tränen in die Augen. Ich geb’s auf, dachte sie verzweifelt. Ich bringe es nicht zustande. Vielleicht bin ich wirklich schon zu alt für so ein abenteuerliches Leben …
Sie hatte den Feuerdrachen vollkommen vergessen. Plötzlich hörte sie hinter sich ein paar donnernde Schläge, dann krachte und polterte es. Kazairl, der nicht durch den Eingang gepasst hatte, war auf seine eigene unnachahmliche Weise mit diesem Problem fertig geworden. Er war neben dem Durchgang seitlich in Stellung gegangen, hatte über die Schulter blickend gezielt und ein paar kräftige Stöße mit dem Schwanz ausgeteilt.
Toulac sah durch eine Staubwolke hindurch seinen langen Körper rückwärts an der Öffnung vorbeikriechen, dann stieß sein Kopf durch den neuen drachengroßen Eingang. »Was beim stinkenden Pfuhl der Hölle fällt dir denn ein?«, fragte sie.
Kaz quetschte sich zur Hälfte in den Raum hinein, wobei er Tisch und Stühle beiseite schob. Unter halb gesenkten Lidern blickte er sie drohend an. »Du hast mir ein Feuer versprochen. Glaubst du etwa, nur weil ich kein Mensch bin, dass ich auf dem zugigen Korridor sitzen bleibe und mir den Hintern abfriere?« Er warf einen besorgten Blick auf Veldan, die tief und fest in ihrer Koje schlief. »Außerdem sagte ich es bereits: Ich lasse mich nicht von meinem Partner trennen – und schon
Weitere Kostenlose Bücher