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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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Knie und war entsetzt über die Heftigkeit seiner Gefühle. Zum ersten Mal seit Melnyths Tod streifte ihn die Erkenntnis, was für ein jähzorniger, verbitterter, schrecklicher Mensch aus ihm geworden war. Die Enthüllung dieses seelischen Sumpfes ließ ihn schaudern. Er saß allein im Dunkeln, und die Tränen über den Verlust seiner Partnerin rannen ihm über das Gesicht. Nach einer Weile kroch er zum Ausgang und nahm ein paar tiefe Züge der eisigen Luft, als ob er die Finsternis seiner Seele damit vertreiben könnte. Als er sich beruhigt hatte, ging er entschlossen zu einer Selbstbetrachtung über. Bedaure ich wirklich, dass Veldan den Erdrutsch überlebt hat, weil Melnyth im Labyrinth der Ak’Zahar ums Leben gekommen ist?, fragte er sich. Würde es mir tatsächlich besser gehen, wenn jetzt beide tot wären? Nein. Verdammt noch mal – natürlich nicht! Veldan hat an diesem furchtbaren Tag genug Leid erfahren. Wir alle.
    Elion war überrascht, dass er wahrhaftig Mitleid mit ihr hatte. Heute hatte er zum ersten Mal wieder mit ihr gesprochen, seit Kaz sie damals irgendwie aus den Höhlen der Ak’Zahar heraus und zurück nach Hause gebracht hatte. Eine alptraumhafte Reise, von der er nur sehr wenig in Erinnerung hatte. Heute hatte er einen verstohlenen Blick durch die Augen des Feuerdrachen gewagt und war über ihr blasses Gesicht und ihren eingefallenen Körper erschrocken, ganz zu schweigen von den neuen Schürfwunden und Blutergüssen, die sie bei dem Erdrutsch davongetragen hatte. Aber er begriff nun auch, dass sein Mitleid überhaupt nichts änderte.
    Wenn Veldans Tod mir Melnyth zurückbringen könnte – wenn dies das Mittel wäre, um die eine gegen die andere auszutauschen – ich würde Veldan mit meinen eigenen Händen das Leben nehmen.
     
    »Ruhe in Frieden, kleine Derla«, flüsterte Rochalla. »Wenn ich mein Leben für deines geben könnte, du weißt, ich würde es tun. Vielleicht geht es dir dort ja besser und du brauchst nicht mehr hungern und frieren …«
    »Tut mir Leid, Mädchen, aber mehr kann ich nicht tun.« Der Totengräber unterbrach sie in ihren Gedanken. »Du siehst selbst, wie es ist. Wir sind zu nah am Ufer – der Boden ist nass und läuft gleich voll Wasser …«
    Rochalla wandte sich von dem flachen Grab ab, das wie eine schlammige Wunde im unberührten Schnee klaffte. Das tote Kind war in ein zerlumptes Laken gehüllt und wirkte darin jämmerlich klein. Es wog fast nichts in ihren Armen. Sie drückte ihre kleine Schwester an sich. Der Gedanke, sie in dem kalten, schlammigen Loch zurückzulassen, war ihr unerträglich. »Es muss genügen«, sagte sie dumpf und holte tief Luft. Sie schloss die Augen, als sie den kleinen Körper in das Grab legte, und erschrak bei der Berührung mit dem kalten Wasser. »Auf Wiedersehen, Derla«, flüsterte sie.
    Sie wischte sich die Hände am Rock ab, drehte sich zu dem Tatgräber um und gab ihm eine reichliche Hand voll Münzen. Das war alles Geld, das Presvel ihr in der vergangenen Nacht gegeben hatte. »Hab Dank. Ich weiß, du hast dein Bestes getan. Das nasse Grab ist besser als die stinkenden Scheiterhaufen. Ich hätte es nicht ertragen können, sie dort zu wissen.«
    Der Totengräber nickte. »Bleib gesund, Mädchen«, sagte er leise.
    »Wer kann schon gesund bleiben heutzutage?«, antwortete Rochalla kopfschüttelnd. Mit tränennassem Gesicht wandte sie sich ab und ging. Sie zwang sich, nicht zurückzublicken.
    Der Rückweg von der Begräbnisstätte erschien ihr sehr lang. Sie hatte ihre Geschwister, einen nach dem anderen, auf diesem trostlosen Friedhof vor der Stadt begraben. Nun war sie wirklich allein. Ich bin die Letzte, dachte sie. Wenn die Reihe an mich kommt, wird niemand da sein, der mich begraben kann … Sie versuchte, die grausige Vorstellung wegzuschieben – es war lange her, dass sie sich in ihrem harten Leben die Schwäche des Selbstmitleids hatte erlauben können. Während sie durch den Morast stapfte, der alles war, was von der Straße zur Stadt noch übrig geblieben war, fühlte sie sich wie ein Kind, das man im Dunkeln allein gelassen hat. Immer fort ging ihr die Frage durch den Kopf: Was soll ich nun anfangen?
    Hab Vertrauen, hätte ihre Mutter geantwortet. Vertraue auf Myrial, er wird für dich sorgen. Nun, sie hatte auf Ihn vertraut. Wenn Er sie nun verlassen hatte, weil sie eine Hure geworden war, so würde Er doch nicht die unschuldigen Geschwister dafür bestrafen? Von ihren wenigen Kupferstücken hatte sie einige für

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