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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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ragte bedrohlich vor ihr auf. Ihr Äußeres entsprach vollkommen den kriegerischen Zwecken, und Kanella fühlte sich plötzlich bedeutungslos. Die Außenwand war völlig glatt, sodass vermutlich kein Feind einen Halt finden konnte, um daran emporzuklettern. Die einzigen Fensteröffnungen waren schmale Schießscharten, die wie hinterhältig zusammengekniffene Augen aussahen.
    »Großartig, nicht?«, fragte der Soldat stolz und missdeutete ihren Schrecken als Ehrfurcht.
    Annas wollte sie an der Hand fortziehen. »Mama, ich mag das Haus nicht!«
    Kanella drückte dem untätigen Bewacher ihr Kleiderbündel in die Hand und nahm ihre Tochter auf den Arm. »Ich auch nicht«, antwortete sie mit forscher Aufrichtigkeit, »aber wir haben schon schlechter übernachtet. Auf jeden Fall werden wir es warm und trocken haben – na, oder wenigstens trocken. Es wird schon recht sein, Liebling. Wir bleiben nur so lange, bis dein Papa wiederkommt, dann werden wir gehen.«
    Als sie unter dem furchteinflößenden Fallgitter hindurchgingen, schaute sich Annas verdrossen um. »Hoffentlich beeilt er sich aber«, sagte sie zweifelnd.

 
     
    Hinter diesen mächtigen Festungsmauern wird niemandem Luxus oder Behaglichkeit zugestanden, dachte Galveron, während er einen nackten, zugigen Gang entlang eilte. Seine Stiefeltritte hallten von den Steinwänden wider, und es roch nach den männlich und kriegerisch anmutenden Ausdünstungen von Leder, Eisen, Öl und Schweiß. Doch nichts konnte den allgegenwärtigen feuchtkalten Steingeruch überdecken.
    In keiner Weise der geeignete Ort für ein kleines Mädchen, erst recht nicht, wenn es allein eingesperrt wird, fuhr der Leutnant voller Empörung in seinen Gedanken fort. Wie kann der Hierarch es wagen, eine Frau mitsamt Kind einzukerkern, die kein Gesetz übertreten haben, die nicht einmal etwas Unrechtes getan haben, soweit ich sehen kann? Und was soll der ganze Unsinn von einem Drachen? Dabei sieht es weder Blank noch dem Hierarchen ähnlich, auf so etwas hereinzufallen. Ist denn hier mittlerweile jeder verrückt geworden?
    Schon bevor man ihm dies alles mitgeteilt hatte, war er in schlechter Stimmung gewesen. Am Morgen war er mit der Patrouille durch die Unterstadt gegangen und musste sehen, welch hohen Tribut der Regen den ärmeren Bewohnern der Stadt bereits abverlangt hatte. Galveron war an vielen schäbigen Hütten mit schadhaften Dächern vorbeigekommen. Das Mauerwerk bröckelte, Türen und Fenster verrotteten. In den Hinterhöfen türmte sich der Abfall, und in Flussnähe staute sich das Regenwasser in den Rinnsteinen und überschwemmte die Straßen. Die Bewohner, krank, verlaust und abgemagert, hatten sich in die Haustüren gestellt, als die Patrouille vorbeiging, und seinen Männern, die wohlgenährt und warm gekleidet waren, mit hoffnungslosen Blicken hinterhergeschaut.
    Missbilligend schüttelte Galveron den Kopf. Die schmutzigen Elendsviertel am Fluss gehörten Seriema ebenso wie viele andere Besitztümer in der Stadt. Sie war längst die reichste Frau von Callisiora. Doch auch dieser Reichtum hatte ihre Gier anscheinend noch nicht gestillt. In den fünf Jahren, die seit dem Tod ihres Vaters vergangen waren, hatte sie aus ihren Mietern auch noch das letzte Kupferstück herausgepresst, und natürlich, so dachte Galveron verbittert, hielt sie gar nichts davon, etwas von ihrem Reichtum für die Ausbesserung der Häuser zu verwenden. Er durfte ihr deswegen keine Rüge erteilen, denn das kam seinem Rang nicht zu. Es wäre Sache des Hierarchen oder eines Hauptmann Blank, hier einzuschreiten – aber beide waren viel zu beschäftigt mit ihren Verschwörungen und Intrigen, als dass es sie einen Deut kümmern würde, was mit ein paar verlausten und verelendeten Untertanen geschah.
    Doch heute war die Dame zu weit gegangen. Ihm blutete das Herz, wenn er an die obdachlosen Familien dachte und wie sie unter den gedungenen Schindern gelitten hatten. Er begriff sehr wohl, dass Seriema die Menschen aus ihren Häusern warf, um die wertvollen Grundstücke innerhalb der Stadtmauern frei und verfügbar zu machen, denn die betreffenden Gebiete lagen am Fluss und bei den Stadttoren. Also, vermutete er, würden ihre Absichten den Handel betreffen. Entweder wollte sie mehr Lagerhäuser für ertragreichere Zeiten bauen, oder sie plante einen neuen Marktplatz, wo sie von anderen Händlern Wuchermieten verlangen könnte. Zweifellos etwas in der Art, dachte Galveron mit Abscheu. Leider konnte er nichts gegen die

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