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Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Titel: Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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starrte ihn entgeistert an. Aber nicht allen hatte seine Waghalsigkeit die Sprache verschlagen. »Wie? Bist du verrückt geworden? Ich kann da nicht raufklettern!« Gelina war schreckensbleich.
    Alestan klopfte ihr sanft auf die Schulter. »Ich weiß, dass Klettern nicht deine Stärke ist«, sagte er geduldig, »doch im Augenblick haben wir keine andere Möglichkeit. Es wird schon gutgehen, Gelina. Wir machen es hübsch langsam, und ich bin bei dir und helfe dir bei jedem schwierigen Schritt.«
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Du musst wahnsinnig sein.«
    Eine Weile später war Aliana versucht, ihr zuzustimmen. Sie klammerte sich an eine Felswand, die kaum einen sichtbaren Halt bot. Dabei drängte die Zeit, denn sie würden die eine Wand hinauf- und die andere hinunterklettern müssen, solange es noch hell war. Sie hatten eine schnelle Wahl treffen müssen, wo sie den Aufstieg wagen wollten, und es blieb ihnen nichts anderes übrig, als auf ihr Geschick und das Glück zu vertrauen. Sie hatte eine Stelle weit links von der Esplanade ausgesucht, hinter Seriemas Haus, wo der hohe Grat auf der Ostseite der Stadt eine Kurve beschrieb und in die Felswand mündete, die den Heiligen Bezirk bewachte. Tosel, der beste Kletterer unter ihnen, hatte darauf hingewiesen, dass das Gestein in dieser Ecke, die Wind und Regen am meisten ausgesetzt war, schon stark verwittert war.
    Und da waren sie nun, verteilt an der Felswand, allen voran Tosel, der den günstigsten Aufstieg finden sollte. Tag und Erla folgten ihm als Nächste, dann Aliana, um den beiden zu helfen. Doch Aliana glaubte langsam, dass sie sich ihretwegen nicht zu sorgen brauchte. Die Kinder kletterten wie die Eichhörnchen und viel besser als sie selbst. Packrat kam hinter ihr, und Aliana wünschte ihn sonstwohin, denn seine Bemerkungen über die dargebotene Aussicht rangierten zwischen lüstern und zotig, was ziemlich schnell an ihrer Ruhe kratzte. Schließlich hatte sie das Glück und fand ein paar lose Steine in einer Spalte, die ließ sie ihm ins Gesicht regnen. Das setzte Packrats dreckigen Reden für eine Weile ein Ende. Gleichwohl hatte sie das Gefühl, dass er sie belauerte und schon an seiner Rache arbeitete.
    Gelina und Alestan bildeten den Schluss und kamen viel langsamer voran als die anderen. Aliana hörte ihren Bruder beruhigend und ermunternd auf sie einreden, während er die verängstigte Frau den Fels hinaufleitete, indem er ihr den besten Halt für Hände und Füße zeigte. Aliana hoffte, dass sie es zusammen schaffen würden – oder wenigstens Alestan. Sie war sich ihrer Herzlosigkeit bewusst, aber sie konnte nicht anders. Die ganze Nacht über hatte sie geglaubt, er müsse tot sein, worin sie sich zum Glück geirrt hatte, und ihn jetzt noch zu verlieren wäre maßlos grausam. »Beweg dich, Gelina«, murmelte sie atemlos. »Komm schon, du dumme Frau, so schlimm ist es nicht!«
    So schlimm vielleicht nicht, aber schlimm genug. Wenngleich sie es niemals zugegeben hätte, wurde ihr der verletzte Arm hinderlich, weil sie ihn nicht zur Gänze strecken konnte. Wie jeder andere war sie müde und gehetzt, während sie sich ständig von ihrem Tun ablenkte und mit den Augen den Himmel absuchte. Der Regen tropfte ihr in die Augen und ein eisiges Rinnsal lief ihr in den Kragen. Schlimmer war, dass die Nässe den Stein dunkel erscheinen ließ und das Stück voraus schwer zu erkennen war. Außerdem hatte sich eine schlüpfrige Schicht darauf gebildet. Es dauerte nicht lange, bis Packrat fluchte. Sie alle fluchten, sogar Tag und Erla, die nun alles wiedergaben, womit sie an harschen Reden aufgewachsen waren. Aliana hörte den hellen Kinderstimmen zu und begann, mehr als jemals daran zu zweifeln, dass das Labyrinth ein guter Platz war, um Kinder großzuziehen. Doch bei allen Mängeln war die raue Gesellschaft besser als der Hungertod auf der Straße.
    Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als plötzlich ein Felsstück wegbrach und sie sich nur noch mit ihrem verletzten Arm festhielt. Die Füße rutschten ab, und sie scharrte nach einem Halt, wobei sie dem unglücklichen Packrat einen Hagel loser Steine ins Gesicht schickte. »Pass auf, was du tust, du plumpe Kuh!«, krächzte er, aber im nächsten Moment merkte sie dankbar, wie er ihre Füße in eine sichere Nische setzte, sodass sie wieder Halt gewann. Sie quetschte ein paar zittrige Dankesworte durch die zusammengebissenen Zähne und streckte den schmerzenden Arm nach dem nächsten Vorsprung aus, dann zog sie

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